18:01
Feuchtes Wetter und trotz der 19 Grad hier im nicht geheizten Zimmer ist mir kühl. Oder ist da wieder ein Projektor eingestellt? Oder liegt’s daran, daß ich mich im Moment geradezu zwinge, nicht zum Rotwein zu greifen. Es wäre allerdings nur ein kleiner Rest von gestern, aber der verlangt dann nach mehr. Und mehr ist nicht da. Habe ich nicht haben wollen heute. In der letzten Zeit habe ich da ein wenig übertrieben. Außerdem steigt dann auch der Zigarettenkonsum. All das führt zu mehr Benzinverbrauch. Wahrscheinlich wird mich mein Körper erst morgen früh belohnen (hoffe ich), indem er besser ausgeschlafen sich aus dem Bett erhebt. (Nun habe ich mir doch einen Plastikbecher geholt…).
Alles sehr unheilvolle Verquickungen, die miteinander zu tun haben. Über ein Jahr ist’s her, daß ich das letzte Mal mit meiner Frau, na Sie wissen schon. Also, daß ich es schaffte. Ansonsten gab es dann eben andere Formen, die auch viel für sich haben. Aber auch das kam im letzten Winter zum Erliegen wie ein angeschossenes Wild, das endlich doch stirbt. Und plötzlich steigt so eine Zeile auf, eine halbe Zeile sogar nur:
—–> Bist du nun tot?
Und Georg Heym meint die erwürgte Geliebte, und ich meine die erwürgte Liebe. Es ist beides gleich. Aber ist sie denn erwürgt worden, oder nur erstickt ohne „worden“? Vielleicht ist ja der Wein mein „Erwürgen“ (pokulieren statt kopulieren). Ich lasse die Möglichkeit offen. Ich will nur sagen, daß auch ich meine Verantwortungen habe. Sie würde das Wörtchen „Schuld“ ins Spiel bringen, für sich vor allem. Das ist ihre zwar nicht als solche praktizierte, aber einst durchs Elternhaus – und vor allem durch die Mutter – vorexerzierte katholische Mea-culpa-Selbstzeihung. „Was habe ich getan, daß mir so etwas passiert.“ Könnte ein Satz von ihr sein. Einst versuchte ich noch, ihr das alles auszureden. Die Dinge passieren eben. Ein Problem gibt es mindestens pro Tag. Kein Grund zur Beunruhigung. Kein Grund, sogleich alles mit übertriebenem Eifer ins „rechte Lot“ bringen zu wollen. Nein, das Leben ist unüberwindlich, der Tag nie zu bewältigen, die Stunde sechzig bange Minuten, die darauf warten, daß wieder etwas geschieht. Geschieht als Schicksalsschlag. Hora ruit. Das habe ich nie nachvollziehen können. Und nie nachleben können. Und da es mir nicht so geht mit den scheinbaren Problemen, wird man zum „Gleichgültigen“. Am Anfang wurde es noch eleganter ausgedrückt, da galt ich als „Phlegmatiker“.