„Von der Wiege bis zur Bahre bleibt alles Menschliche
in einem Mantel von Sprache eingeschlagen.“
(W e r n e r K r a u s s : Über den Standort der Sprache).*
Während ich dies schreibe, sitze ich im Büro an meinem übervollen Schreibtisch, Akten, Bücher, Akten. Schau durchs Fenster auf das wolkenlose Blau des Himmels. Neben dem Pc liegt ausgdruckt ANH’s 12. Elegie. ich weiß nicht welche Fassung oder welchen Entwurf ich da lese. Wolken von Strophen, Lämmern gleich, ziehen zu Vätern und verwandeln sich, werden erdenschwer und hängen wie Schnüre der Mütter im Raum. Und manchmal fallen Worte, nadelspitz wie Eisregen, in meine Welt. Verse, wie diese, sorgen für Aufruhr: „Du, Vater, gabst mir nichts w e i t e r; was gebe ich meinem /Sohn?…“ Ein paar Zeilen drunter hören wir die Anwort:
„So sitze ich hier. Und mehr als du, Vater,
weiß ich: davon gebe ich nun weiter, als wäre
es von dir. Denn im Altern, Väter und Söhne,
werden sie eines; wenn einer geht rückt der jüngre
nach, und er übernimmt es, und übernimmt dieses
Blicken, gerichtet, wolkenhinauf, das drängende,… Als ich es las wusste ich, dass der Dichter Recht behalten wird, erlebte ich doch am eigenen Leib, selbst vaterlos gewachsen, und schon seit langen Jahren Vater, dass der Vater – Sohn – Dialog für geraume Zeit verstummen muss und wird, bis die Frage –Was gab ich meinem Sohn ? – ihre Antwort in einem neuen Sohn -Vater – Gespräch findet. Ob die Strophen für Fachleute der Dichtkunst maßgerecht sind, so etwas kann montgelas oder sein alter ego besser einschätzen, als es meine Person vermag. Denn sehr spät, vielleicht zu spät, fast dreißig Jahre mussten vergehen , bis sich die Kunst in meinem Haus wieder heimisch fühlen durfte, habe ich Poesie neu entdeckt. Es ist Abend geworden, ich sitze Daheim an meinem Schreibtisch und während ich auf das Klingeln des Telefons warte, um sagen zu können: Ja, schön, dass du anrufst, und um ihn antworten zu hören: Ja, Papa, „Die Masken der Sexualität“ von der Paglia habe ich für Dich ausgeliehen, eben brachte ich das Päckchen zur Post, spätestens übermorgen wirst Du es haben. Vor ein paar Minuten hatte das Warten ein Ende, es klingelte tatsächlich, ich nahm den Hörer ab, kam kaum selbst zu Wort, und hörte wie er sagt: Hi, Papa, ich habe voll Stress, das Buch ist unterwegs, spannender Titel und …ich muss… grüße Mama…. Ich wollte noch fragen, Du hast gestern garnichts erzählt. Ward ihr bei Dali ? Da hatte er schon aufgelegt.
*Danke, m. für die Überlassung des Zitats.