Arbeitsjournal. Freitag, der 24. November 2006.

6.04 Uhr:
[Berliner Küchentisch.]
Gestern noch ein langes, schweres, schwieriges, verwundetes Gespräch geführt, ohne das es aber ja nicht geht. Und eine Lösung in den Blick genommen, die auch literarisch mehr als tragbar ist, nämlich weder von der Ästhetik Abstriche macht, noch dem Buch seine Intensität nimmt; zugleich, und das ist mir innig wichtig, verliert es in der speziellen Perpektive die Kraft, jemanden persönlich zu verletzen; etwas, das dieses Buch ja gar nie intendierte. Was noch zu klären ist, ist der Modus, unter dem sich diese Lösung realisieren läßt, bzw. lassen könnte. Zudem nachts dann noch länger mit dem Profi zusammengesessen, >>>> im „Alten Europa“, worin über den Pissoirs ein gerahmtes Foto von Donald Rumsfeld hängt, dem einige seiner „Kern“Sätze beicollagiert sind. Wir sprachen vor allem über die Concordia-Probleme, und er – der Profi, nicht Rumsfeld – will unbedingt Dieter B. kennenlernen an diesem Wochenende. Ich werd versuchen, das irgendwie einzurichten. Als der Profi sah, daß ich THETIS las, sagte er süffig: „Na dann viel Spaß.“ Das hatte etwas Bizarres. Als ginge es um einen Fremdtext, um einen Brocken, auf den man sich einläßt; als hätte man vor, zum ersten Mal den Ulysses oder Der Mann ohne Eigenschaften zu lesen und wüßte eigentlich nicht, worauf man sich dabei einläßt. >>>> Fluß ohne Ufer fällt mir noch ein, dieses völlig unbekannte, hochmagische Buch. Halt a u c h so ein Riesending.
Nu’ mach ich mich mal wieder an THETIS. Guten Morgen, Leser.

9.49 Uhr:
[Berlin. Arbeitswohnung.]Solch ein gutes Gefühl, wieder einmal Zuhause zu sein, am eigenen Schreibtisch, den Blick auf all die Musik, auf die Bücher, die Bilder, Erinnerungen, Schlafcouch, den riesigen Arbeitstisch, an dem sich auch sehr gute Essen geben lassen… ah, ich sag Ihnen! Ich habe mich entschlossen, heute h i e r zu arbeiten, auch wenn ich für den Netzzugang das Mobilchen nehmen muß, was vielleicht ein wenig teuer ist, aber sich seelisch so lohnt. Und soeben – welch vertrautes, vermißtes Geräusch! – zischt die PAVONI, um deutlichst daran zu gemahnen, daß das Espressowasser darauf wartet, durch das Espressopulver gepreßt zu werden…… und jetzt steht er rechts vor mir, hellbraun in Schichten, der vertraute latte macchiato, eine Pfeife, mal wieder, ist gestopft und der Tabak entzündet… und es geht weiter an THETIS. Leider kann ich keine Musik hören, wenn ich überarbeite. Aber ich werde später eine der VARIATIONEN FÜR GITARRE UND SPRACHE von 1982 in den Laptop einspielen und für den nächsten Newsletter als m3 formatieren. Regine Hoch-Shekov und ich hatten seinerzeit ein abendfüllendes Programm, dessen eine Aufführung mitgeschnitten worden ist. Jedenfalls will ich heute h i e r arbeiten, bis mein Junge abends abzuholen ist, und hier auch werden Sonntag/Montag erstmals die Bamberger Elegien lektoriert werden; es ist wie eine Wiedereinnahme von Heimat und wie eine sanfte Formklammer: als wäre ich von einer weiten Reise mit viel Arbeitsmaterial zurückgekehrt, das nun gesichtet, befühlt und gefeilt und in die erste haltende Form gebracht werden muß.
(Die Bilder stelle ich später ein, weil mein Mobilchen sowas bekanntlich nicht ‚packt’.) (Oh, das Gerätel hat es eben d o c h gepackt! Neuigkeiten, Neuigkeiten…)

14.45 Uhr:
[Berlin, Arbeitswohnung.]
Weit mit THETIS vorangekommen; Mittagsschlaf; zwei der Variationen für Gitarre und Sprache als mp3 aufgespielt, die können Sie in der nächsten Woche herunterladen: so viel naiver Enthusiasmus und doch wieder auch diese Wendungen ins Surreale. Das gehört zu meiner Geschichte a u c h, das d a r f man, ja m u ß es dokumentieren. Und schon damals, sehr deutlich, der Glaube an den Körper.
Jetzt weiter an THETIS.

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