18.31
Am verzweifeltsten ist [in Montemayors Hirtenroman „Diana“] der Liebhaber, der sich selbst das Leitmotiv gibt mit dem schönen Vers:
Amador soy, y nunca fui amado.
Liebhaber bin ich, aber nie geliebt.
Werner Krauss, Miguel de Cervantes, 58
Womit ich indirekt auch auf die Kommentare zum gestrigen TB-Eintrag eingehe und die angesprochenen Themen streife. Vielleicht: Zumindest sind die Kommentare präsent. Wie dem auch sei: Mir fiel auch der Cherubino aus des Figaro Hochzeit ein. „Ogni donna cangiar di colore, ogni donna mi fa palpitar“. Auch ein „amador“. Selbst ich. Und nicht nur ideell. Manchmal verzichte ich darauf, hier in Italien meinen eigentlichen Nachnamen zu nennen, was besonders bei nicht sehr hellen Gesprächspartnern zu kompliziertem Buchstabieren führt, und gebe stattdessen den meiner Frau an, der dem „amador“ phonetisch und graphisch sehr ähnlich ist. Der „amador“, er liebt. Auch ohne Gegenliebe. Der „amador“ gibt sich fort an das Geliebte, die nicht unbedingt die/der Geliebte sein muß. Von —> Carlo Dossi gibt es beispielsweise einen Band kurzer Erzählungen mit dem Titel „Amori“, und keine einzige beschreibt die Liebe zu einem Menschen. Den einzigen Kuß gibt er als Knabe einem Mädchen durch eine Glasscheibe hindurch. Die schrecklichste Liebe ist die Sehnsucht nach etwas und nach jemandem, die sich nicht erfüllen läßt. Das ist romantisch. Insofern war der Gebrauch dieses Wortes gestern nicht ganz korrekt. Ich wollte wohl eher sagen „Kitsch“. Vielleicht drücke ich es besser so aus: Das Bild der Frau, die das Grab des einstigen Mannes in Liebe pflegt (unabhängig von den Briefen), hat etwas Genrehaftes, das in ein kleinbürgerliches Biedermeier verweist. Es liegt schlicht an der Formulierung. Glaube ich. Sie hat etwas unheimlich Friedliches. Dies mag an meinen eigenen Unheimlichkeiten liegen. Da ist ein Zustand, aber keine Bewegung mehr. Also ein Sein und kein Werden. Entropie. Ich schmecke dieses Bild nur für mich selbst nach, ohne diejenige, die es gebrauchte, selbst zu meinen.
Und die Liebe ist sicher keine Brille, die man auf der Nase trägt und gerade dort nicht sucht. Oder doch? Vielleicht eher doch. Als ich vor 10 Jahren wieder anfing zu schreiben, war der Motor dazu eine nicht erklärte Liebe, weil allein die Vorstellung dieser Liebe ausreichte. So geschieht es manchmal, daß ich mich zuweilen im Internet auf Seiten eintrage, die der allgemeinen Verkupplung dienen. Gestern auch wieder. Erstmals erhielt ich fast umgehende Antwort. Aus Verona. Das Beste aber wird sein: nicht allzu sehr dran glauben, aber dennoch ein bißchen flackern. Pragmatisch ausgedrückt: Zweckpessimismus.
Der von Ihnen zitierte Kurzvers Amador soy, y nunca fui amado. wird , von Montemayor mit den Worten cantaua con gran tristezza ( WK II, 278) eingeleitet. Da spielt das Italienische ins Spanische…oder umgekehrt.
Unbedingt rührend! Der Mensch liebt doch erst dann, wenn er in all der herrlichen Bildchenanordnung sich selbst entdeckt, wie er also aussehen müsste, wenn er ein anderes Geschlecht hätte Das Geschlecht liebt, etwas anderes verehrt, wieder etwas anderes gewöhnt sich oder braucht eine Aufgabe. Eigentlich ist die Idee, etwas zu tun und es „Liebe“ zu benennen die beste Selbstinformation. Man kann immer sagen, man war dabei, als geliebt wurde.