16.37
Weil die Hose, die ich sonst im Hause trage, gewaschen worden ist, umgibt meine unteren Körperteile diejenige, die ich 1990 bei unserer Hochzeit anhatte. Den obersten Knopf muß ich leider offen lassen, sonst wird’s etwas eng und der Bequemlichkeit abträglich. Ansonsten paßt sie doch noch einigermaßen, was die sonstige Größe betrifft. Neulich kramte sie die Bilder von der Hochzeit hervor, um sie den Neujahrsgästen zu zeigen. Ich schaute sie mir auch wieder an. Natürlich. Wie anders ich da aussah. Auf dem Kapitol mit dem von Michelangelo entworfenen Platz, wo die Stadt Rom die Ehen standesamtlich schließen läßt. In der Aufregung des zu gebenden Ja-Worts sagte ich tatsächlich mein muttersprachliches „Ja“, was mir die Frage eintrug, ob ich des Italienischen mächtig sei. Es folgte allgemeines, auflockerndes Lachen. Wie anders ich aussah … Der innere Abstand zu diesen Bildern war so groß, wie die Distanz zu Bildern von Verwandten, die man sich ohne Interesse anschaut. Wahrscheinlich aber würde ich gern glauben, daß es so sei, wie ich im vorigen Satz sagte. Wohl eher ein inneres Abwenden von dem, was ich den Bildern glaubte zu sehen als das, was ich glaube, gewesen zu sein. Sehr vermittelt das Ganze! Und dennoch sehr mit dem heutigen Heute verbunden: Meine Gänge durch den Korridor in Richtung Spiegel, der dort hängt, wo die Treppe abwärts geht. Manchmal blieb ich stehen, um mich anzuschauen. Und jedesmal dasselbe: Ich gefiel mir überhaupt nicht. Die Form der Hosen, das Hemd dazu, das teddybärmäßige Dings, das wie darüber gestülpt ist, die Haltung des Kopfes, die Form des Körpers, der trübe Blick beim Anblick dieses Anblicks… Von schöner Seele ganz zu schweigen…