Arbeitsjournal. Freitag, der 9. Februar 2007.

5.17 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg. Jan Garbarek, Vilayat und Bismillah Khan: Ragas.]
Die Ragas hör ich rein zu meditativer Beruhigung, man könnte auch ‚als Stimmungsaufheller‘ sagen. Denn die Postdurchsicht gestern ergab natürlich nur wieder Müll: Mein Stundungsantrag wegen des BAFÖG-Rückstandes ist vom Bundesverwaltungsamt abgelehnt worden, weil ich angeblich benötigte Unterlagen nicht begebracht hätte. Also will man jetzt alles Geld auf einmal. Na gut, denk ich mir, wenn ich im nächsten Monat den Privatkonkurs beantrage, wird‘s eh keine Rolle mehr spielen. Härter ist schon, daß mich die KSK wegen rückständiger Beiträge ‚vorübergehend rausgeworfen‘ hat, also meine Krankenversicherung ruht. Für mich selbst macht mir das nicht viel aus, aber mein Junge hängt mit dran. Da ist also Handlungsbedarf. Andererseits greift der Privatkonkurs dann ja auch da: Sollte der Bub krank werden, einen Arzt oder sogar Krankenhaus brauchen, und sollten die Kosten schließlich von mir selbst zu zahlen sein, wird der Privatkonkurs auch sie erfassen. Die schlimmste Nachricht kam insofern von der Stiftung Niedersachsen, die ein Stipendium für Essayisten ausgeschrieben und von der ich auf mein Nachfragen geradezu eine Aufforderung bekommen hatte, mich zu bewerben. Das wären, hätt ich‘s bekommen, drei mal 3000 Euro gewesen, vierteljährlich zahlbar. Ich hatte, weil ich mich nicht chancenlos bewerben wollte, dort hingeschrieben >>>> und „bewerben Sie sich!“, ja, mit Ausrufezeichen, als Antwort erhalten (Eintrag um 7.40 Uhr, unten). So habe ich mir da einige Hoffnung gemacht. Aber gestern trudelte auch ihre Enttäuschung hier ein. Da keine Gründe genannt sind, kann man sich nun nur Gedanken drüber machen: – Wer sitzt in der Jury, der meine Arbeit nicht mag (oder, präziser, mich)?; – Geht den Leuten die Argumentationslinie der als Beleg eingereichten Essay-Partien wider den Strich?; – Stellen sie sich, stilistisch, sowas unter einem Essay gerade n i c h t vor?; – Haben mehrere Leute eine solch explizite Aufforderung erhalten?; – Und und und.
>>>> Das Thema war Überraschungen, Einsichten – Die Verknüpfungskunst der Essays; in der Jury saßen Hugo Dittberner(Vorsitzender und Mentor), Heinz Ludwig Arnold, Angelika Overath, Franz Schuh, Stefan Weidner. Dittberner und Arnold kenne ich persönlich; beide gehören zur 68er Linken und favorisieren entsprechend einen NeoRealismus, gegen den meine Arbeit expressis verbis opponiert. So kann die Ablehnung also durchaus politische Gründe haben. Im übrigen vertrete ich, etwa >>>> hiermit, ja nun nicht gerade eine pazifistische Ästhetik. Wie auch immer. Ich tröste mich damit, daß auch Schopenhauer bedeutende philosophische Arbeiten, die er bei solcherart, sagen wir, Preisausschreiben eingereicht hatte, abgelehnt bekommen hat. Er hat das süffisant in den Erstdrucken anmerken lassen, sozusagen als editorisches Motto: „Nicht gekrönt.“ Bei den alten Männern der literarischen 68er ist für mich jedenfalls nichts zu hören, und, wenn ich ehrlich bin, hat das ja auch einige Gerechtigkeit – im Sinn der Auffassung, daß, wär‘s anders, irgendwas nicht stimmte. Jedenfalls wird nach Dittberners Tod kein Hahn mehr nach auch nur irgendeinem seiner Texte krähen. Er hat seine literarischen Schulden im übrigen anders beglichen, indem er zum ‚Urbild‘ Alexander Bertrechts im >>>> WOLPERTINGER wurde.
Hiob hat blöderweise noch anderweitig bei mir angeklingelt: Kann sein, daß mein für den Herbst bei >>>> tisch7 geplantes Essay-Buch nun doch nicht zustande kommt. „Darüber müssen wir noch einmal reden“,bekam ich bei einem Telefonat mit dem Verlag zu hören; die lange Begeisterung über die Texte scheint bei anderen Bedenken eingebrochen zu sein. Die sind aber sicher keine ästhetischen oder moralischen, sondern, denke ich, ganz einfach ökonomische Zwänge. Ein Verlag, der nicht pro Halbjahr wenigstens einen Bestseller landet, geht, wenn hinter ihm kein Vermögen steht, innerhalb kürzester Zeit ein; die Verkaufszahlen sind durch die gesamte Branche und insgesamt alarmierend; zumal ein Essay-Band ist mit allem anderen als gerade besonderen Marktchancen ausgestattet. Das ist mir bewußt. Tut aber dennoch weh.
Gut, schauen wir weiter, was sich n o c h ergibt. Gelingt der COUP, wird eh manches anders.
Guten Morgen, Leser.
Ich soll, das vergaß ich neulich zu erzählen, für den >>>> Freitag einen Essay gegen den Begriff des Geistigen Eigentums (und gegen seinen Inhalt) schreiben. Meine deutlichen Einlassungen zur Kunstfeindlichkeit des Urheberrechts hatten den Redakteur >>>> während des Tutzinger Symposions dazu bewogen, mir diesen Auftrag zu geben. Wann ich das schreibe, weiß ich noch nicht, ARGO EF zur ZF hat erstmal Vorrang. Und daran geh ich nun jetzt.

9.46 Uhr:
Ich muß aufpassen, nicht in Depression zu fallen, statt >>>> mit einer angemessenen Wut zu reagieren, aus der sich produktive Energie schlagen läßt. Die Lust jedenfalls, an ARGO weiterzuarbeiten, ist heute morgen gänzlich dahin. Und so guckt der Text denn auch zurück.

12.55 Uhr:
Jetzt hat doch mein lieber Übersetzer Prunier >>>> deswegen einen Protestbrief an den Berliner Senat geschrieben, der mit d i e s e r Entscheidung ausnahmsweise gar nichts zu tun hat. Also das w ü r z t jetzt entschieden den Tag, weil vom Berliner Senat ja noch eine Entscheidung a u s s t e h t und ich irgendwie den Eindruck habe, Pruniers Ärger treffe, egal, wohin er ihn richtete, i m m e r einen Rechten. (Oh je, was werd ich mich entschuldigen müssen, wenn ich das Berliner Stipendium nun d o c h bekommen sollte. Aber ich verstehe natürlich, daß es sich, wenn es um ästhetische Kompetenzen – und n u r darum – geht, vom Ausland aus nicht so leicht zwischen Niedersachsen und Berlin unterscheiden läßt.)

16.59 Uhr:
Unkonzentriert, aber zäh an ARGO. Und >>>> dies:Dann seh ich meinen Jungen auf der gegenüberliegenden Regnitzseite mit einem etwas älteren Buben joggen. Sein Aktionsradius, um nicht zu sagen: sein Revier, erweitert sich deutlich. Das schenkt dem Vater ein wundervolles, stolzes Gefühl.

Meine >>>> Replik auf Wolfram Schütte steht, gibt man heute dieses Mannes Namen ein, bei google bereits auf Platz 8.

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