„Durch jene schmale Öffnung
dringest du zu einer Höhle
deren Innerstes
verwahrt dein Buch des Lebens. –

Nun eile!“

Die Erinnerungen kamen langsam, zuerst bruchstückhaft, später flossen sie durch sie hindurch und drängten sich schneller auf, als sie schreiben konnte. Manchmal musste sie die Ordnung der Ereignisse erst wiederfinden, ihren Ablauf rekonstruieren. Ein Ereignis jedoch stand unverfälscht und unverrückbar im zeitlichen Ablauf der Dinge vor ihrem geistigen Auge. Es hatte all die Jahre im hintersten Winkel ihres Gedächtnisses überlebt und hartnäckig jedem Versuch seiner Verfälschung, Beschönigung oder gar Bereinigung durch allzu beflissene Therapeutenhände widerstanden. Jetzt schrieb es sich sozusagen selbst hinaus. Sie musste nichts tun, nichts in Worte fassen oder nach einer Sprache suchen, sie musste nur diesen dunklen Gang in ihrem Innern freihalten und darauf achten, dass kein Gedanke die Übertragung der Aufzeichnung störte.

Nachdem wir uns bereits am Morgen gesehen hatten, fiel ich in einen Schlaf, der den ganzen Tag andauerte bis zur Dämmerung. Das Zimmer war erfüllt von einer seltsamen Einsamkeit. Ich dachte an ihre dunklen Augen, die halb geschlossen waren wenn sie redete und die eine Art Traurigkeit in sich bergen, von der man selbst befallen wird wenn man nicht wegschaut. Vielleicht muss ich davon ausruhen, von dieser Schwäche, von ihrer Zerbrechlichkeit, an welcher ich ja in gewisser Weise teilhabe, jetzt, da sie mir ihre Geschichte erzählt. So wie alle Menschen aneinander teilhaben, wenn sie sich erst einmal in das Innere des Dschungels begeben um sich dort ihre Geschichten zu erzählen. Ob sie es nun wissen oder nicht.

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