20.29
Dem Spieltrieb (die alte „Civilization“-CD wieder installiert) nachgegeben zwischen 6 und 8, nachdem ich mir heute Majakovskijs „Lenin“ aus keinem anderen Grund reingezogen hatte, als dem, daß sich der Text (in der italienischen Übersetzung) an einem Tag lesen ließ. Gehört aber doch in das Mehrstimmige meiner Lektüre. Es las sich wie eine knappe Geschichte der Zeit vor, während und nach der Oktoberrevolution. Aber zumindest eine dichterische und keine politische Rhetorik: ich hatte Schlimmeres erwartet. Aber was soll man schon erwarten, wenn man zuvor nie Majakovskij gelesen hat. Jedenfalls ein himmelweiter Unterschied zu den Altersgedichten der Aleramo, als ihr die Sinnlichkeit geschwunden war, und die sie dann in Preisliedern zum Ruhme der Sowjetunion wettzumachen suchte. Aber Majakovskij ist ja auch Zeitzeuge und kein Nostalgiker. Ein erster Eindruck, mehr nicht. — Die Mutter der Neffen hatte mich zum Mittagessen eingeladen, was mir recht war: Mal wieder Spaghetti und noch Leber hinterdrein. Die Neffen wie immer in solchen Situationen (es war noch eine Freundin aus Rom zu Besuch da) mundfaul, weil ständig zur Raison gerufen mit lauter Stimme. Mir ist schon klar, woher ihr Nicht-Hören kommt. Schon, als ich rein kam, die x-te Androhung: Wenn nicht sofort du das, dann gibt’s das und das nicht bzw. dann bringe ich dich nicht zum Reiten. Und das jedes Mal. Auch von Seiten meiner Frau, wenn sie mal bei uns waren: Ich bringe euch nach Hause und will euch hier nicht mehr sehen, wenn… Natürlich erweisen sich diese Androhungen immer als haltlos. Ein Beispiel noch: Einer der beiden tat so, als ob er sein Stück Melone nicht essen wollte (absichtlich, wie sich später herausstellte). Der gefräßige Besuch aus Rom war mit dem einen ihm zugedachten Stück Melone nicht zufrieden und nahm sich das Stück des Neffen in der Meinung, er wolle es tatsächlich nicht essen. Woraufhin er zu weinen anfing, weil man ihm sein Stück weggenommen hatte. Zum Beweis, daß es ihm um Opposition ging, aß er dann zwei Stück Melone, als alle anderen fertig waren. All das beschämt mich immer wieder. Und bestärkt mich, einen ruhigen Umgang mit den beiden zu pflegen und auf ihre Launen einzugehen. Also auch ein bißchen Kabbeln: Wer ist stärker?