19.01
Das letzte Mal, als ich in Rom war, muß tatsächlich der 24.4. gewesen. Dieses Datum stand auf dem Zettel, der mich nach Verlauf eines Monats zum Abholen des Auszuges aus dem Heiratsregister berechtigte (in Rom dauert so etwas, und hinter allen Schaltern herrscht zynische Gleichmut). Da nun schon mehr Zeit verstrichen war, durfte ich hoffen, diesen Auszug anstandslos zu bekommen. So war es dann auch. Aber auch Arbeit führte mich nach Rom. Nur die Leute aufzutreiben, von denen ich mit Bargeld bezahlt werde, war mir in den Tagen davor nicht gelungen. Also habe ich nur Geld ausgegeben (mit Maßen: allerdings, bevor ich den Zug heute morgen bestieg, war ich schon 21,90 Euro los: Benzin, Fahrkarte, Parkplatz, Cornetto, Cappuccino). Auch gut, daß ich heute gefahren bin, morgen wäre ich auf Schwierigkeiten gestoßen wegen des Bush-Besuchs, der leider nicht wegen Bush als „nervig“ empfunden wird, sondern wegen möglicher Straßensperren und ähnlichem (und letzte Woche hatten schon die Taxis gestreikt). Wie immer in Rom achte ich mehr auf die Gesichter (der Frauen, aber nicht nur) als auf die Architektur (auch wenn beim Überqueren der Piazza Venezia der Blick dem Marmor und der dahinterliegenden Foren-Reste nicht widerstehen kann: es wimmelte von Touristen),
21.20
und führen zu einer Überbevölkerung in meinem Kopf, die allen Beschreibungen Hohn spricht. Das Armband am schwarzen Handgelenk, das stolze Profil, die verbitterte Miene, die forschen Schritte („jetzt müssen wir da lang“, „jetzt müssen wir gleich aussteigen“) deutscher Touristen in kurzen Hosen, junge Manga-Japaner, das hübsche Gesicht mit – leider – Pickeln, Blicke auch haschen und einen Moment lang aushalten, Möwen zwischen Rasenstück und weißem Marmor, Tauben (die ich hasse) draußen auf Abfälle wartend (und fast setzte sich eine auf meinen Tisch an der Piazza della Repubblica gleich neben dem Excelsior (allerdings vor der Freßbude für diejenigen, die nie im Excelsior absteigen werden: McDonalds (und gleich um die Ecke die Buden mit antiquarischen Büchern und Porno-DVDs (das nächste Mal kauf’ ich mir eine)))).
@Signore il Lume. So änderten sich – nach dem giubileo – die temporesmores: In den Gebäuden, die über die Fontana Richtung Nomentana blicken und darüberhin zu den Sabrinern waren noch 1998 zwei riesige Pornokios untergebracht – wirklich S ä l e mit sie umgebenden Freigängen, überdachten, von großklösterlichstem Character. Während der – stets von Pausen unterbrochenen – Vorstellungen flanierten in diesen Gängen die Männer und Herren, am langen Arm die entfaltete Zeitung studierend, oder diskutierend, oder meditierend – bevor’s dann drinnen weiterging auf Leinwänden von Autokinos. Alles war wie sakral. Mich hat das sehr beeindruckt – auch die Selbstverständlichkeit, in der aus- und eingegangen wurde von der hitzeschweren Auto-Revelge der Piazza (der riesige Brunnen ständig eingerüstet, der Marmor längst ein Gips) ins Dämmern des zweischiffigen Klosters, worin ganz ernst den Gründen der Art gehuldigt wurde… in Deutschland verboten, in Italien erlaubt, ritt man auch P f e r d e zum Sündenfall in die Messe.
… und nennte Sie also dann Signor Paralume, das ist ein Lampe-Schirm!
Daß ich diese schmuddeligen Säulengänge an der Piazza della Repubblica (oder Piazza Esedra, wie’s bei Einheimischen eher genannt wird, was dann wieder den Stadtplankundigen verwirrt: nirgends ist sowas eingezeichnet) zwar jetzt, nachdem ich den Kommentar gelesen, wieder präsent habe, mag wohl daran liegen, daß ich damals in Rom noch verheiratet war, und mich als solcher solchen Kinos fernhielt, nicht einmal mit Absicht: ich brauchte es nicht. Der Brunnen rauscht nach wie vor mit seinen barbusigen Najaden, der Rest auf Hochglanz poliert. Im ehemaligen Pornokino ist nun Warner untergebracht. Neulich bauten sie eine Riesenwerbung für Spiderman. Hat’s wirklich mit dem Giubileo zu tun? Oder doch eher mit der Invasion der amerikanischen Barbaren? Den neuen Barberini? (So jedenfalls ein Pasquill aus der Zeit Berninis: Was die Barbaren (gemeint sind die plündernden „Völkerwanderer“) nicht schafften, das schafften die Barberini (Adelsfamilie und entsprechender Papst, unter dem der Bronze-Baldachin von Bernini im Petersdom entstand, wofür u.a. auch das Pantheon all seiner Bronze beraubt wurde). Alles sehr clean jetzt.
Ja, alles sehr clean. Darauf spielte ich an. (Wobei die Gänge viel zu riesig waren, um schmuddelig sein zu können; schmutzig waren sie vielleicht, aber daran erinnere ich mich nicht. Es lagen jedenfalls keine Papiertaschentücher, schon gar nicht verklitschte, herum).
„Barberini“ – das ist eine tolle Findung! Auch wenn es die Gemeinten – erhöht.