Paul Reichenbachs Dienstag, der 10 Juli 2007. Wälder.

Gestern verkroch sich die Sprache hinter ihr Zentrum, in den dunklen Forst der Lautlosigkeit. Es irrte sich, wer da noch ein Flüstern vernahm. Wurde enttäuscht. Einer Enttäuschung geht immer eine Täuschung voraus. Das ist so wahr, wie das Amen in der Kirche. Das Amen, das Om – schwingende, singende Lautgaukelei auch dies, täuscht über das Ende der Täuschung. Sprechen, Lautgeben ist ornamental und damit serial. Wie oft führen wir, immer voll selbsttäuschender Hoffnung verstanden zu werden, die gleichen Gespräche? Über Dies und Das, über Gesundheit, über Gott und die Welt und sind vom Echo gelangweilt. Nun gut, wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, sagt der Volksmund, hölzern schallt es heraus, wäre präziser. Die lange Weile, die Geschichte, die Wiederholung, lautgedehnt, Gedöns, ist ein Fichtenwald mit weichem Nadelteppich, der den Widerhall dämpft und verschluckt. Es sei denn die Sägen kreischen. Man muss einfach mehr holzen, um gehört zu werden. Holz machen aber, ist mir so was von fremd.
Ich war ja in Rom, da lag der Gedanke an Theodor Mommsen nahe, auch er ein unerhörter Rufer in den deutschen Wald. 1899 schrieb Mommsen frustriert in sein Testament: „In meinem innersten Wesen, und ich meine mit dem Besten was in mir ist, bin ich stets ein ‚animal politicum‘ gewesen und wünschte ein Bürger zu sein. Das ist nicht möglich in unserer Nation“. Akzeptieren, dass es irrig ist zu glauben, Geschichte könne lehrend sein, fällt mir schwer.

Die Wälder sind sprachlos und dumm.

Unerhört sind Worte,
die niemals gesprochen
und unfarben bleiben,
werden sie nicht mit Lettern besät, die Felder.

3 thoughts on “Paul Reichenbachs Dienstag, der 10 Juli 2007. Wälder.

    1. interessanter gedankengang ja, ich denke ähnlich.
      „hölzern schallt es heraus“… ich denke, mitunter brauchen wir den dumpfisierenden nadelteppich, der alles seicht und weich macht… das fällt in meinen augen unter smalltalk, der auch eine wichtige funktion hat: menschen unterschiedlicher art erst einmal in kontakt zu bringen, zeit zum einschwingen zu geben.

      nur ist es dann leider so, dass man mit bestimmten leuten über diese stufe nicht hinauskommt. eine seite will anscheinend nur noch weichen teppich, weil sie derbe fussschmerzen vom alltagstrott über das harte pflaster hat und weil sie keine kraft für tieferschürfendes aufbringen, bzw. weil sie ihr leben auf äußerlichkeiten ausgerichtet hat.

      gäbe es da nicht die sorte mensch, mit denen man ambitionen teilen kann, weil die hauptantennen gleich ausgerichtet sind, und mit denen es nicht nötig ist, zu smalltalken, wäre die welt wirklich am ende- trotz des waldes und allen süßholzraspelns, trotz der teppiche…

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