Arbeitsjournal. Mittwoch, der 25. Juli 2007.

5.44 Uhr:
Gestern wurde mir etwas, vom Finanzamt, gepfändet, über das ich noch nicht öffentlich schreiben will, was aber meine Bewegungsfreiheit so extrem einschränkt, daß ich selbst zu Veranstaltungen nicht mehr fahren könnte, sofern mir nicht die Veranstalter die Tickets besorgen und herschicken, von der Fahrkarte für meinen Jungen und mich zu schweigen, die wir zwei Männer für Ende nächster Woche für sechs Tage zu meiner Mutter reisen wollten, damit der Bub noch etwas von seinen Schulferien hat, bevor es dann auch noch für eine Woche an die Ostsee geht. Letztres ist immerhin gesichert, aber ich hab da jetzt so Befürchtungen… will mich allerdings, bevor ich drüber schreibe, erstmal besprechen. Jedenfalls wird’s unbequem, sehr unbequem jetzt, weil ich den Eindruck habe, das Finanzamt, das mich offenbar für einen steuerflüchtigen Großverdiener hält, beginne auf das brutalste, mir den ökonomisch ohnedies brüchigen Boden unter den Füßen wegzusägen, also daß man dortseits auf die Idee kommt, überall, wo ich jemals etwas verdient habe, prophylaktische Pfändungen auszusprechen auf Honorare, die ich vielleicht einmal in der Zukunft erhalten könnte, bei jedem Verlag, bei dem ich publiziert habe, bei jedem Veranstalter, bei jeder Sendeanstalt – was wiederum dazu führen würde, daß ich eventuell später einmal eingeholte Aufträge entweder gar nicht erst mehr bekäme oder aber nicht ausführen könnte, weil mir die Grundlagen fehlen – zum Beispiel hinzureisen und die Regie zu führen. Usw. Da das Finanzamt kein Kostenrisiko scheuen muß – es zahlt die anfallenden Kosten ggbf. einfach aus Steuergeldern -, kann es solch irre Aktionen sicherlich starten, die ihm zwar nichts bringen , aber mich endgültig ruinieren würden. Die Furcht vor so etwas hat mich dann wirklich etwas verstört. Andererseits – ein GROßES andererseits – habe ich den Eindruck, meine Verse werden um so schöner, je größer die existentielle Bedrohung ist – was sich gestern, nach der Nachricht, am Ende der achten Bamberger Elegie sehr deutlich gemacht hat. Denn ich habe erst einmal gar nichts unternommen, was auch? sondern stur und ausgesprochen inspiriert weitergearbeitet. Und darüber verlor sich dann auch die Furcht, und zwar so sehr, daß man fast sagen könnte, ich sei zuversichtlich geworden überm Fortgang und dem Abschluß dieser Elegie.
Außerdem wurde bei Katanga der DSL-Anschluß gesperrt, der nach wie vor, schon als Ausgleich für seine Betreuung meiner Netzpräsenzen, auf mich läuft und dessen Kosten von meinem gepfändeten Konto nicht mehr eingezogen werden konnten; da muß ebenfalls dringend gehandelt werden. Ich wollte gestern spätabends noch zu ihm hinüber, um zu klären, was zu klären ist, hab es aber aus familiären Gründen nicht geschafft. Das muß nun heute geschehen – etwa muß ich auch meinen Eindruck klären, daß die Telekom dort etwas seit anderthalb Jahren berechnet, was es seit anderthalb Jahren gar nicht mehr gibt: nämlich einen ISDN-Anschluß. Wahrscheinlich hat man diesen u n d den für Strato nötigen analogen Anschluß berechnet. Da ich meine Kontoauszüge nie kontrolliere, ich hab für sowas keine Zeit, und nähme ich sie mir, bekäme ich Depressionen und also eine Arbeitshemmung, ist mir das Ganze überhaupt nur durch Zufall vor vierfünf Wochen aufgefallen. Jedenfalls will ich auch für Katanga von Strato zu freenet wechseln und die Telekom dabei endgültig rauswerfen.
Das alles neben der Arbeit. Es wird, unterm Strich, nichts übrigbleiben, als nun endlich den Privatkonkurs zu eröffnen, den ich gern noch, aus mehrerlei Gründen, geschoben hätte. Das Nachsehen dabei hat dann auch das Finanzamt.
Guten Morgen. Ich beginne jetzt damit, mir die Neunte Elegie vorzunehmen, drucke allerdings erst einmal die Achte aus. Und fahre sowas um zehn zur Familie, weil ich dort noch telefonieren und vielleicht diesen Telekom/DSL-Müll klären kann. Außerdem komme ich da simpler ins Netz als momentan hier, mit dem Mobilchen.
Draußen ist das Wetter ins Nasse, eklig Kühle umgeschlagen; gestern vormittag schon, als der Profi auf einen Kaffee vorbeigekommen war, roch es verdächtig nach Herbst. Außerdem hat der Zahn wieder zu schmerzen begonnen, es strahlte bis in den Traum. Ich sollte endlich zum Zahnarzt radeln, aber es hapert momentan schon an der Praxisgebühr… (mein Vater, der in seinen letzten Jahren nie krankenversichert gewesen ist, hat seine Ärzte immer mit Bildern bezahlt, die er malte; was gebe ich?)

13.56 Uhr:
[Am Terrarium.]
Nicht sehr viel vorangekommen mit der Neunten, bin ich dann h i e rhergefahren, um die nötigen Telefonate zu machen; schlief etwas zu mittag; vormittags noch eine Mini-Interview mit dem MDR über Blogs und Literatur und die möglichen Bücher, die man aus Blogs macht; ob ich sowas für sinnvoll hielte? Kleinkram halt.
Momentan kann ich aber nicht telefonieren, weil hier allgemein Mittagsruhe herrscht, die ich nicht stören möchte. So bastle ich erst einmal an der Neunten weiter, bis alle wieder wach sind. Ich hatte einen Moment lang die Idee, sämtliche „wir“ aus den Elegien in „es“ zu verwandeln, wegen des einigen doch aufstoßenden „Hohen Tons“; aber das würde alles grundsätzlich verändern und auch die Kraft, fand ich eben, der allgemeinen Behauptung, zu der man sich stellen muß, so oder so, aus den Elegien nehmen.

15.05 Uhr:
Telefonat mit Thomas Zenke, Funk: So sehr ihm die AEOLIA gefalle, aber das könne er für ein Feature nicht mehr verantworten, das sei ja n o c h subjektiver, als alle meine Arbeiten zuvor, das gehe bis ins Mythische, „Sie sind da näher an Hölderlin als an der Realität… ich verstehe Sie gut, verstehe, daß Sie so etwas im Konzept Ihrer Ästhetik schreiben, ja, und es gefällt mir sehr – aber ich kann das als ein Feature nicht durchbringen… allenfalls wäre das etwas fürs Hörspiel“, für das nun aber gilt, daß ich da kein Entrée habe und gerade die AEOLIA völlig neben dem mainstream, sowohl dem sozialpolitischen, wie dem der Unterhaltungsindustrie liegt, der man sich dort teils verpflichtet hat. „Chorisch“, sagt Zenke, er höre es selbst, würde dieses Stück enden, näher also an der Musik als an Sprache. Das i s t es auch, genau, was mir vorschwebt.

Im übrigen Zahnschmerzen. Ich werde bis zum Dienstag, wenn mein Zahnarzt aus dem Urlaub zurück ist – dafür hab ich jetzt einen Termin bekommen -, auf Nelken kauen müssen…

Wenn ich jetzt den Privatkonkurs endlich lostrete, weil mir das Finanzamt aufgrund scharfer Maßnahmen gar keine andere Wahl läßt, erübrigte es sich allerdings, dem Funk statt der AEOLIA etwas anderes anzubieten (Z. bat mich drum, das zu tun) – ich sähe ja dann ohnedies gar kein Geld.

Ich telefoniere jetzt und telefoniere.

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Mittwoch, der 25. Juli 2007.

  1. nun fand ich … … das „wunder von sankt
    michele“ bereits recht mythisch.

    ich hörte das stück parallel mit
    einem entfernten freund, mit
    dem ich mich dann telefonisch
    darüber austauschte.

    als hörer, so der subjektive
    eindruck, kommt man schon
    gern zwischendurch wieder
    auf den boden zurück. diese
    doppelt gesprochenen stimmen
    hatten ja schon fast hallizugene
    wirkung (*g* nun, ich übertreibe ein
    wenig, aber ich hoffe, Sie verstehen
    mich ansatzweise).

    alles gute!

  2. Mann-o-Mann In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden die Sendestücke in den Gewerken in Käfighaltung unter Zwangsernährung und normierter Wachstumsbegrenzung gehalten. Was nicht in den Käfig passt, wird ausgesondert. Eine Zensur findet statt…
    Ein Sender, der Hörstücke von ANH nicht mehr verantworten kann, kann getrost den Laden zu machen. Die entstandene Freifläche läßt sich bestimmt gewinnbringend in gebührenpflichtigen Parkraum umwandeln. Meine Meinung!

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