B.L.’s 16.8. (II) – in die weite Welt hinein

17.38
Zwei Tage später als Paul muß ich meinen Daten ohne Jahresangabe fortan ein „(II)“ anhängen, der erste 16.8. ist es heute nicht, den gab es letztes Jahr. Fazit dieses einen Jahres? Seinen Tag so zu erzählen, als schriebe man im Gefühl, daß keiner mitliest, ist und bleibt eine Illusion. Also bleibt das zu erzählen, was einem dem Ich näher bringt, ohne das Ich wie eine Faust auf den Tisch zu hauen. Und dann all das aus einem Alltag herausschälen, à la „das hat mich heute beschäftigt“ und los geht’s mit dem Besinnungsaufsatz. So ungefähr. Es wird sicher einige Zeit vergehen, bevor ich in der Lage bin, das letzte Jahr mal wieder durchzulesen. Immerhin hat’s mich hierher begleitet, wo ich nun mein Süppchen für mich allein koche. Vom Zusammen- zum Alleinleben. Aber es war nur der Schwanz eines zehnjährigen und sehr langsamen Prozesses. Jedenfalls schrieb ich bis Mai aus einer Ecke heraus, in die ich mich getrieben sah und hatte und worden war. Gegen die ich mich wehrte, der mich auch wieder anzupassen versuchte, wieder Abstriche am Ich machend, mich dagegen dann wieder wehrend, um dann wieder zu resignieren. Usw. usf. Somit hat das Tagebuch im Grunde seinen Zweck erfüllt, den ich mir ja auch insgeheim vorgesetzt hatte: es war fast wie eine Begleitung der Therapie. Ein Verstärker mehr oder weniger leiser Ahnungen. Zu verstärken gibt es jetzt in dieser Hinsicht nichts mehr, höchstens den gelegentlichen Nachhall auszuhalten. Also wird’s wohl nach dem Motto „Hänschen klein ging allein in die weite Welt hinein“ weitergehen. – Eben, grad so muß ich wohl meine späte Lust gestern an den Youtubes interpretieren, die dem Woodstock-Film entnommen sind. Denn als ich den Film 1969 in einem Kino in Highgate (London) sah, da war ich 15 und reiste mit einem 16jährigen Freund zum ersten Mal per Anhalter in die weite Welt hinein: wir hatten Brieffreundinnen bei Manchester, wo wir dann auch landeten. Leider hatte mir das Los eine häßliche Schüchterne beschert, an der ich gar kein Interesse finden konnte, der Freund mit seiner ewig am Knutschen. Recht bald auch reisten wir wieder ab. Nicht daß dies damals der Grund war, daß ich in eine Krise mit dem flachen Dorfleben geriet. Es geschah dann auch, daß ich in der Nacht vom 1. auf 2. Januar des darauffolgenden Jahres bei Nacht und Schnee mit dem Rucksack meiner Englandreise zu Fuß die 25 km bis nach Wolfsburg, wo ich in aller Herrgottsfrühe auf dem Bahnhof landete und mich von einem Italiener vollabern ließ, den ich nur halb verstand. Wohin ich wollte, weiß ich nicht mehr. Wußte es damals aber auch nicht. Irgendwann rief ich zu Hause an. Die hatten schon die Polizei verständigt. Und als ich dann die Stube betrat, da kamen meinem Opa doch glatt Tränen der Rührung. Ich benutzte dieses Ausreißen dann, meinem Vater den Gefallen abzupressen, mich nach Wolfsburg zum Kino zu bringen und wieder abzuholen: Es lief da grad die deutsche Version von Woodstock.

P.S. Nun erzähle ich schon seit Jahren, daß sei 1969 gewesen. Aber nun schaute ich doch mal in den Ordner mit den Daten, und da steht: 1970 (Ende Juni, Anfang Juli). Woodstock war, wie ich gerade googele gerade in diesen Tagen 1969 (15.-17. August), der Film kam 1970 heraus. Also war ich damals 16. Warum aber verlegte ich es dauernd auf 1969?

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