B.L.’s 25.8. (II) – Zwerg Nase

19.32

„Ich bin nicht unerfahren in diesen Sachen. Mein Vater hat mir und meinen Schwestern einige Anleitung gegeben, so viel er nämlich davon mittheilen durfte. Die Geschichte mit dem Streit am Kräuterkorb, Deine plötzliche Verwandlung, als Du an jenem Kräutlein rochst, auch einige Worte der Alten, die Du mir sagtest, beweisen mir, daß Du auf Kräuter verzaubert bist, das heißt: wenn Du das Kraut auffindest, das sich die Fee bei Deiner Verzauberung gedacht hat, so kannst Du erlöst werden.“
HAUFF, Zwerg Nase

Bis dahin werde ich gestern abend gekommen sein mit dem Vorlesen. Also bis über die Hälfte dieses Märchens, das ich allerdings in der italienischen Übersetzung vorlas, und das ihnen sogar mal von mir aus Rom mitgebracht worden ist. Erst hörte nur der eine zu (nicht ohne vorher zu fragen, ob es recht sei), weil der andere noch mit der X-Box beschäftigt war. Dann aber kam auch er. Ein kurzes Nachfragen nach dem zitierten Passus, aber keiner der Neffen gab mehr Antwort. Es wird gegen elf gewesen sein. Vorher hatten wir gemeinsam per Videokassette „Dick Tracey“ gesehen. Sobald es ans Küssen ging im Film, fingen sie an, mich zu hänseln. Der rechts neben mir war nicht ganz so ruhig wie der andere: ab und zu fing er an, mich mit Puffern zu provozieren, auf die ich nur einmal reagierte, indem ich ihn einmal in der Luft herumwirbeln ließ. Wahrscheinlich wollte er nichts anderes. Kabbeln ist immer angesagt. Nachdem die beiden eingeschlafen waren, hatte ich mein Quentchen Müdigkeit unter Kontrolle zu halten, die Mutter kam und kam nicht. Erst gegen halb eins erlöste sie mich. Ich sollte mich jedenfalls nicht allzu oft darauf einlassen. Nähe zu den Neffen ja, wie man mich gebeten hat, aber kein Einspannen ins Privatleben der Mutter, die eben mal ins Kino möchte. Im Sommer mußte ich schon Katzenaufsicht abblocken. Und die Katze hier zu mir zu nehmen, kam natürlich nicht in Frage. — Ich projizierte sie heute nach Deutschland in einer Phantasie. Ein Deutschland, daß ihnen plötzlich sehr bedrohlich wurde. In seiner Xenophobie. Ihre Hautfarbe (der Vater ist Afrikaner) wäre sicher in bestimmten Gegenden willkommene Zielscheibe. Da ich mir sehr Schlimmes ausmalte, wurde ich schließlich zum Amokläufer. Wo aber liegen die Gefahren? Heute? Hupft nicht zuweilen aus der eigenen Kulturwelt das Messerchen hervor? Und läßt dich hineinlaufen? Und wenn dann schon der eine der beiden Neffen anfängt zu bedauern, nicht die Hautfarbe seiner Freunde zu haben???? Glücklicherweise sagten sie aber auch mal, daß ihr Vater viel kräftiger als ich sei, der deutsche Onkel. Leider sehen sie ihn nur selten, den Vater. Immerhin die einzigen Kinder, die ich habe wachsen sehen und wachsen sehe.

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