Paul Reichenbachs Donnerstag, der 22. November 2007. Verzweigt.

>>> Wen schon recht früh der Schlaf im Stiche lässt, der hat es leicht, zeitig auf zu sein und ein schweres Herz durch die morgendliche Stille zu tragen. So ungefähr war 4.30 Uhr mein Gefühl, das >>>Arnold Zweigs Lenore Wahl empfindet als sie noch hofft, obwohl die Vorzeichen anderes sagen, einer Schwangerschaft zu entgehen. Nun heiße ich nicht Werner Bertin, bin also kein weltenferner Schriftsteller,der in den Krieg zieht und in >>>Verdun erst erzogen werden muss. Ich bin eher Grischa verwandt, realitätsblind auch er, der in den Mühlen der Bürokratie sein Leben einbüßt. Und meine Lenore, ich sollte besser R. schreiben, hat innerlich mehr mit Grischas zu Unheil ratender Geliebten gemein als mit Bertins späterer Frau, der sie förmlich aus dem Gesicht geschnitten scheint. Mit Lenore Wahl teilt sie nur ein Problem. Und sie wird es nicht wie Frau Bertin, geb. Wahl händeln. Das steht heute schon fest: Der Natur, erklärte mir R. vor fast einer Stunde am Telefon, ihr sonst etwas hartes Deutsch klang dabei weicher, soll man nicht ins Handwerk pfuschen, und ist damit >>>Grischas Babka wieder nah. Lenore hat im Roman “ Junge Frau von 1914″ scheinbar keine Wahl. Für R., die Verhältnisse haben sich geändert, die wählen könnte, stellt sie sich nicht. Sie ist in dieser Frage ganz Babka. Du wirst damit nichts zu tun haben, kommt es gebrochen und rauh über ihre litauischen Lippen. Das ist allein meine Angelegenheit und, setzt sie nach, ich freu mich. Wenn R., statt statischer Berechnungen, Gedichte machte, würden sie ähnlich wie die Verse einer >>>Netzlyrikerin klingen, die, leider ist sie im Netzgewimmel verschollen, ebenfalls aus Osteuropa kommt.

Wichtig

die nägel stecken in der wand
gewohntermaßen
man steckt die köpfe in den sand
entlang der straßen
zuweilen klingt mein hartes deutsch
schon ziemlich richtig
die silbe findet ihren fuß

mehr ist nicht wichtig

die sonden schweben hin zum mars
weil wir das können
zuweilen schweben wir im schlaf
man darf’s uns gönnen
lasst rippen heil, bin eurer doch
schon angesichtig
die seele sucht sich ihren gast

mehr ist nicht wichtig

die wolken strömen in das meer
soviel wir wissen
man strömt noch aufeinander zu
in feuchten kissen
bedient euch, meine brust ist nicht
gebührenpflichtig
und sie kommt nacht für nacht zur ruh

mehr ist nicht wichtig.

( © 2004 by Julia Romazanova )

2 thoughts on “Paul Reichenbachs Donnerstag, der 22. November 2007. Verzweigt.

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