Arbeitsjournal. Sonnabend, der 19. April 2008. Mannheim und Hausach.

7.37 Uhr:
[Mannheim, bei Kühlmanns in der Küche.]Bis sechs Uhr geschlafen, um halb sieben rief die Geliebte an, bis an zwei Uhr nachts saß ich noch mit Kühlmann plaudernd am Sofatisch, nicht nur plaudernd eben, sondern einer Tätigkeit fast noch ergeben, die mir jetzt den leisen Kopfschmerz beschert und mich davon abgehalten hat, heute meiner Früharbeit nachzugehen; zumal hatte ich vorher schon, quasi seit 18 Uhr, durchgetrunken, erst mit dem Verleger Würker von >>>> Manutius, dann mit dem Verleger Osburg von >>>> Osburg, der ein deutliches Interesse an meiner Arbeit zeigte und gleich zu Anfang blankzog: „Ich Verleger, Sie Autor, ich bin für klares Sprechen.“ Was er dann aber g e n a u von mir wollte, konnte er auch nicht sagen auf nun m e i n e blankgezogene Sprache hin. Immerhin ein interessanter Mann, der etwas Englisches hat, so eine dieser verschrobenen, eigenwilligen, selbstbewußten Erscheinungen, die es in solcher Ausprägung fast nur auf dieser Insel gibt und die mich immer etwas an >>>> Ralph Vaughan Williams erinnern, den übrigens Pynchon in seinem Roman kurz auftreten läßt. Wirklich ein Typ und mit einer ausgeprägten Vision, der auch keinen Zweifel daran läßt, daß er in einen Dichter, den er plubliziert, auch investieren wird. Ich hatte und habe nur das Problem, daß ich in der jetzigen Ausrichtung seines Verlages eigentlich (noch) keinen Platz für speziell meine Romanästhetik sehe – aber er werde, so verabschiedeten wir uns, sich jetzt Bücher von mir besorgen und sie lesen. Dann sähen wir weiter.
Ich bin schon interessiert, habe ein Loyalitätsproblem wegen >>>> Dielmann, das ich übrigens n i c h t hätte, erschienen denn die angekündigten Bücher auch, und vor allem: erschienen sie nicht immer erst nach langen Verzögerungen, die werbliche Maßnahmen imgrunde alle zunichte machen. Wäre d a s nicht, und bliebe ich vor allem nicht immer so lange im Dunklen, ich würde gar keinen Gedanken auf einen etwaigen Wechsel verschwenden. Aber warten wir erst einmal ab, was Osburg und sein Lektor, der ebenfalls dabeisaß, nun bei ihrer Herbst-Lektüre so empfinden werden. Würker wiederum, Manutius-Verlag, kündigte die Druckfahnen der Heidelberger Vorlesungen für die nächsten zwei Wochen an; dann wird das Buch, schätze ich, spätestens in anderthalb bis zwei Monaten vorliegen. Ich werde es wie immer hier in Der Dschungel annoncieren.

Im Seminar selbst saßen zwei Studentinnen und die mit Kühlmann befreundete Autorin >>>> Hanna Leybrand; die anderen bisherigen Teilnehmer des Seminars hatten offenbar gar nicht mitbekommen, daß das Seminar real stattfindet; da war einiges mit der Ankündigung durch die Uni durcheinander oder liegen- bzw. auf der Strecke geblieben. Das ist nun für fernerhin nachzuholen. Abends trafen sich dann Eikmeyer, sein altphilologischer Lieblingskommilitone, die beiden Studentinnen, Leybrand, noch bein weiterer Teilnehmer des Seminars, den wir anriefen, und ich beim Heidelberger Beton-Griechen und aßen und tranken mehr, als wir aßen. Eikmeyer fuhr die eine Studentin und mich dann heim, mich zu Kühlmanns, sie zu ihrer Wohnung. Ich habe allen, die ich traf, quasi aufgegeben, sich nach Erscheinen den Pynchon zu besorgen: „Wenn Sie wissen wollen, was eine moderne Romanästhetik vermag, dann lesen Sie dieses Buch.“

Gegen halb elf, vielleicht etwas später, werde ich nach Hausach aufbrechen. Ich denke, die im Testament meiner mutter genannten Erben werden ebenfalls über den Nachmittag dort eintrudeln. Auf der Fahrt dahin werde ich den Pynchon zuendelesen; es liegen jetzt noch weniger als 100 Seiten vor mir; meine Rezension werde ich dann am Montag während der Heimreise nach Berlin schreiben, zumindest entwerfen. Ich habe so viel zu dem Roman zu sagen, der mich und weil er mich so glücklich und oft auch so erschauern gemacht hat, daß ich momentan noch gar nicht weiß, wo ich beginnen soll.

>>>> Reuss traf ich noch kurz, gestern vor der Uni; er sah das Buch in meiner Hand. „Pynchon?“ „Pynchon. Ich bin fast durch.“ „Ich auch.“ „Tolles Buch.“ „Tolles Buch.“ Aber er müsse los, winkte noch, ich wandte mich dem Palais Boisserée zu.

Wenn Kühlmanns erwacht sein werden, werden wir ausgebig frühstücken, dann brech ich auf. Draußen regnet’s, während gestern, in Heidelberg, bereits ein Frühsommer war; die Bäume standen in wogenden Blüten.

10.30 Uhr:
Ö d n i s.(Klammer Regen. S-Bahn-Station Richtung Mannheim Hauptbahnhof. Lange steht ich allein. Vergessener Ort. Dann trudelt ein murmelnder Raucher ein, dann seine Freundin, die ein Paket trägt; gegenüber am Bahnsteig hat sich ein Schwarzer gesetzt, US-Militärkappe auf; einmal lächelt er herüber.)

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