die woche war nicht nur arbeitsreich, sondern auch reich an erkenntnissen. im grunde ist doch solch eine 1500köpfige belegschaft einer firma nichts anderes als ein entindividuiertes kollektiv. in diesem gibt es unterschiedliche gruppierungen, die miteinander verknüpft sind. die macht dieses gemeinschaftlichen lügengewebes legt sich wie ein tuch über jegliche bewegung eines jeden, und jeder lässt sich von dieser (un)wahrung dieser kommunikation zudecken, alle stimmen der eigenen verlorenheit zu. kein wunder, dass so mancher verlorene beginnt, seinen eigenen krieg zu führen. in der kantine sitzend fühle ich mich immer wie von einem anderen stern, und frage mich, ob mein gesicht auch irgendwann so aussehen wird, wie die gesichter aller, denn sie sehen alle irgendwie gleich aus. ein jeder weiß das, bemüht sich aber gleich wieder darum, es zu vergessen. die eigene lüge setzt man anstelle der eigenen wahrheit, aber in seinen existenziellen grund. das unwahre wird zur abmachung. wenn jemand es wagen sollte, sich dieser abmachung zu widersetzen… wird er zum außenseiter. ich merke auch hier deutlich, dass ich auf meiner insel hocke. ich muss darauf achten, dass ich meine bebauung so niedrig gestalte, dass über meinen kopf hinweg geschossen werden kann, ohne, dass ich schaden nehme. die mannschaft schießt auf die geschäftsleitung, die schießen wieder zurück, und ich hock auf meiner insel genau dazwischen.
manch einer führt tatsächlich ab einem bestimmten zeitpunkt nur noch seinen eigenen krieg, oder aber, er verliert sich ganz und gibt auf. registriere ich beides, macht mich beides traurig… denn auch derjenige, der über jahre damit beschäftigt ist, seine pfründe gesichert zu halten, verliert sich letztendlich auch in diesem eigenen kampf, weil er nicht weiß, in wessen auftrag er handelt.
ich will mich in dieses tuch nicht einspinnen lassen, schon früh war ich mir der qualität des gewebes meines eigenen kokons bewusst, diese erhalten zu können, hat mich viel blut gekostet. es kostet immer eigenes blut, sein eigenes gewebe behalten zu wollen.
der chef diese woche zu mir: „deshalb wollte ich sie, sie sind anders – erhalten sie sich das bloß.“ „ja chef, aber sie müssen aufpassen, denn sie sind dabei sich einspinnen zu lassen.“ „manchmal sind sie ganz schön frech“ „ja… und?… ecke ich damit an?“ „solange sie meiner karriere nicht schaden, nicht.“ „das ich um diese gratwanderung weiß, wissen sie“ grinste ich zurück. er hob eine augenbraue und grinste schweigend zurück. wir pflegen inzwischen einen ehrlichen grundton in unserer kommunikation. er braucht etwas nur ansatzweise zu sagen, dann weiß ich, was er sagen will. manchmal guckt er ganz erstaunt: „wieso wissen sie jetzt so schnell, was ich meine?“ auch kann ich immer sehr genau erinnern, zu welchem zeitpunkt ich einen vorgang in der hand hatte, und was für diesen noch zu tun ist. ich kann namen, adressen und telefonnummern einfach speichern und bei bedarf wieder abrufen, was mir die ganzen abläufe ein wenig erleichtert, meine fähigkeit zusammenhänge erkennen zu können, obwohl ich in den thematiken teilweise noch garnicht ganz drin bin, hilft mir auch.
in meinem grund ist das verhalten dieses mannes mir gegenüber nach dem verhalten meines ehemaligen vor:gesetzten balsam für meine seele, auch habe ich den eindruck, dass er die eigenheiten meines charakters schätzt.
auf den großen parkplätzen vor dem firmengebäude fand ich neulich zwei gänseblümchen in den ritzen der betonpflastersteine wachsend. leben… lebende blüten auf grauem beton… dieser lebensmut schenkte mir eine freudige energie für den ganzen tag. vom wind an diese stelle geweht, dazu gezwungen, hier wachsen zu sollen. es braucht eigene energie, willen und mut, sich damit einverstanden zu erklären, genau hier leben nicht nur zu sollen, sondern auch zu wollen. ich ging in die knie, um mir diese zwei blümchen wirklich ansehen zu können…. auch wollte ich mich diesem mut beugen. „was machen sie denn da, ist alles in ordnung?, geht es ihnen gut?“ erklang eine männliche stimme hinter mir. „es ist alles in ordnung, ich gucke mir nur ein gänseblümchen an.“ irritiert schaute er mich an, drehte sich um, und ging ohne etwas zu erwidern. wahrscheinlich sorgte er sich um meinen „normalzustand“.