drüben im pennymarkt sieht es abends immer so aus, als ob eine bombe eingeschlagen hätte. die am frühen morgen so aufgeräumte verkaufsfläche ist zum feierabend der verkäuferinnen ein einziges schlachtfeld. es ist unglaublich, was man sieht, wenn man die menschen beim einkaufen beobachtet. da werden tomaten mit den fingern aus der kiste genommen, um so lange darauf rumzudrücken, bis sie tatsächlich weiche stellen haben. auf grund der fiktiven und dann realisierten weichheit wird die tomate in die kiste wieder zurückgelegt, die nächste wird dem ultimativen test ausgesetzt. bananen müssen grundsätzlich immer rausgenommen, gedreht und gewendet werden, gefällt eine banane nicht, wird diese abgebrochen, weggelegt und eine schönere von der nächsten bananenhand abgebrochen. erdbeeren werden aus ihren kleinen blauen schalen rausgeholt, wenn für schlecht befunden, einfach in eine andere schale gelegt, und aus dieser die schöneren in die eigene schale gepackt. frisches abgepacktes fleisch nimmt man aus der großen kühltruhe, legt es in eine tüte, weiß blitzartig an der nächsten regalecke, dass man es doch nicht essen will, und entsorgt es einfach im nahegelegenen regalfach. in folie abgepackte schinkenwürstchen werden bis zur letzten hinteren packung aus der kühltruhe geholt, weil man erst mit dem auf dieser packung gedruckten mindesthaltbarkeitsdatum zufrieden ist, die anderen vier dabei umgekrempelten kartons lässt man einfach so vor der kühltruhe stehen. kaffeepackungen liegen zwischen den brötchen, bierflaschen zwischen den bananen, tiefgekühlte produkte an allen möglichen stellen aber eben außerhalb der kühltruhen. den verbissenen gesichtsausdruck des mannes, der in seiner gebückten körperhaltung mit weißen beinchen in bermudashorts und noch weißeren socken in den beigefarbenen sandalen die ganzen schinkenwürstchen von hinten nach vorn umgrub, wird in meiner erinnerung bleiben. ich musste mir das anschauen, blieb einfach stehen und sah zu… er bemerkte es nicht einmal. als ich den pennymarkt betrat, gab es gleich im eingang zwei volksaufläufe mit mürrischen gesichtern, an den kassen lange schlangen, und die leergutautomaten waren voll. auch hier schaute ich zu, es war eine schwere arbeit für die frauen, die zeit brauchte, was einigen kunden sichtlich viel zu lange dauerte. ich ging einfach in den nächsten markt, kaufte dort, was ich auch noch brauchte und probierte dann wieder mein glück, siehe da… die menschenansammlung hatte sich aufgelöst. die beiden frauen an den kassen sahen ziemlich fertig aus: „wieso meinen die menschen vor feiertagen eigentlich immer, dass es die nächsten fünf jahre nichts mehr zu kaufen gibt“ sagte eine leise zu mir… „ich werde nie verstehen, dass menschen sich so benehmen.“ ich gab ihr in gedanken recht und nickte zustimmend. ich habe von kindheit an nur in aldi- und pennymärkten eingekauft, aber so… verhielt ich mich nie.
gestern abend kam noch eine kollegin, brachte mir blumen für meinen balkon aus ihrem garten, die sonst einer verschönerungsaktion anheimgefallen wären. der abend war schnell rum, der spaziergang tat gut, die gemeinsame zigarette hinterher auch. morgen am samstag wollen wir „schiffe gucken“… es ist zwar hafengeburtstag, in diese masse will ich aber nicht, also gucken wir uns die schiffe von einer der elbinseln aus an. es ist ein privates grundstück.
die arbeit der woche war sehr komprimiert. ich habe übrigens bei meinem gespräch mit dem abteilungsleiter das durchsetzen können, was ich erreichen wollte, hat das nun wirklich daran gelegen, dass ich keinen slip unter dem kostümrock trug?…. eine zehn jahre alte richtlinie wird jetzt außer kraft gesetzt, der ganze prozess neu konzipiert, und ich darf ihn steuern. mein chef hat mich für ein managementprogramm vorgeschlagen, welches nur für angehende führungskräfte ist. „eigentlich brauchen sie das nicht, aber sie werden den schein benötigen.“ das fragezeichen auf meiner stirn beantwortete er kurz und knapp: „die leute müssen umdenken, sie können das schon.“
einen zweiten orangencalcit kaufte ich mir heute noch, ich will ihn mit ins büro nehmen. der inhaber des kleinen geschäftes besorgte zwei sehr schöne große steine, einen davon suchte ich mir aus. dieser mann hat etwas… nämlich augen. die hat natürlich jeder, aber seine sind so was von blau, auch noch umrahmt von ganz dichten schwarzen wimpern. als ich mir die steine anschaute, stellte er sich neben mich, sagte nichts. ich nahm beide steine jeweils für einen kleinen moment zwischen meine handinnenflächen, und entschied mich dann für den einen. er blieb ganz ruhig, schaute mich an, sagte nichts, packte den stein sehr sorgfältig ein, ich gab ihm meine kreditkarte: „hier ist ein gutes stück erde“ sagte ich. er blickte hoch, mir fragend in die augen. „ich meine nicht ihr geschäft an sich, hier vermitteln sich mir schwingungen, die mich erden“ antwortete ich. er lächelte: „erinnern sie unser letztes gespräch?… ich fragte sie, woher sie kommen, damit meinte ich nicht die stadt, aus der sie stammen.“ „so?… was dann?“ „erleben sie, dass tiere zu ihnen kommen?“ „hmm… ja, über viele jahre schon. schmetterlinge begleiten mich einige zeit, fledermäuse kann ich fühlen, bevor ich sie sehe, agressive hunde beruhigen sich, auch pferde… und die delphine, die lieben mich.“ „sie wissen um geschehnisse, bevor sie passieren, und sie haben verbindungen in eine andere dimension“ sagte er völlig ruhig. „woher wissen sie das?“ fragte ich. „ich sah’s, als sie mein geschäft betraten. alle, die den weg hierher finden sollen, finden ihn“…. dann führten wir ein längeres gespräch. er ist ausgebildeter schamane, hat 30 jahre in mexiko in einem bergdorf gelebt, sich dort ausbilden lassen, und mit den eingeborenen gelebt, sie haben sich von ihm heilen lassen. als ich ihm sage, dass ich vorher weiß, wann menschen aus meinem umfeld sterben, findet er das nicht mal ungewöhnlich.
manchmal glaube ich, dass ich nicht die menschen finde, sondern die menschen mich. eine nachbarin begegnete mir gestern, ich wusste sofort was ich sah, als ich sie sah. „ich habe 8 jahre hospizarbeit gemacht, wenn sie hilfe brauchen, meine tür da oben hat eine klingel.“ „ich habe garkeine zeit für irgendwas“ sagte sie. „ich weiß, sie handeln erst einmal nur, sie tun das, was jetzt getan werden muss, sie funktionieren.“ „sie verstehen das?….“ „ja“ „oh gott bin ich froh, dass das wenigstens ein mensch versteht.“ ihr mann ist vor zwei tagen gestorben, die ganze umgebung wundert sich darüber, dass sie so „beisammen“ ist und das tut, was sie tut. ich nahm sie zum abschied einfach in den arm. „danke“ sagte sie und ging.