… vollkommen unsichtbar jetzt, Schwalben fliegen jetzt auch keine, mit ihrem schrillen Jauchzen, wenn sie segeln, manchmal loopen sie dicht vor meinem Balkon in die Höhe. Nein, hier war heute kein Pfingstfeiertag, der war gestern als ein normaler Sonntag, der nächste Feiertag fällt auf den 2. Juni: Tag der Republik: ein Montag, ei schau. Die neulich gekaufte Rose bekam heute kein Wasser, weil ein gerader Tag ist. Ich gebe ihr nämlich immer nur an ungeraden Tagen Wasser. Die Blüten und Knospen, die sie anfangs hatte, hat sie völlig verloren, aber es beginnt dennoch etwas neues zu sprießen, rosenblättrig grün. Noch nicht dunkel, eher noch ein helles Grün. Weil kein Rot mehr da ist, steht sie auch nicht mehr dort, wo sie anfangs mit der einen roten Blüte auf eine blutende Schläfe zeigte. Die Schläfe aber lasse ich vorerst dort bluten, wo (m)eine Erinnerung sie hinhaben wollte. Auch kam mir die rote Rose so nach der Schläfe fingernd doch auch wieder kitschig vor. Also war’s recht, daß sie verblühte, eine Zeitlang die dunkelroten Blätter neben dem Töpfchen mit einer Handvoll Erde liegen lassend auf einem dunkelbraunen Kaminsims.
Meinetwegen Rosen
Wie es so geht
ein unausrottbares Elend immer
noch Rosen Lied das
im Mund zergeht Schnee
die Augen geschlossen
wo sich anbot
heiter zu leben belanglos
einige Worte hingesagt im Dunkeln
über ein anderes
Gesicht fremdes
Gesicht auf das man
zufällig stieß
oder aber sommers
das heitere Trugbild in dem
die Schatten unsichtbar
stehn Blick der gefällt
wird Luft
ein luftiges Haus hell
die Kleider
meinetwegen Rosen
was uns entging mit der Zeit
Unglück der ausgeworfene
Köder worauf
man verfiel
Rolf Dieter Brinkmann (1962)
… Rosen pflanzen in die Erde, zu erden das rot-eminente Rot dreier Blüten im Grün des Grases, das wächst und ein „über“ sich herbeiruft, unter dem ein „unter“ zu verbergen.