„Sie beschreiten die Glienicker Brücke von der Potsdamer, ich von der Berliner Seite. Zu Zeiten wurden dort nicht selten Agenten ausgetauscht. Heute merkt man davon nicht mehr viel, aber ich habe ein Gedächtnis an meine Vergangenheit, ich ging den Weg einmal anders herum, den, den Sie nun gehen werden. Gleich hinter der Brücke, einst ging ich darauf zu, ist eines der verträumtesten Ensembles kassizistischer Architektur über das Gelände gestreut, das Berlin zu bieten hat. Sie werden es vermutlich kennen.“
„Noch nie nahm ein Herr mich dahin mit. Sie halten das für einen Eingang in die Hölle?“
„In einen Himmel auf Zeit in der Hölle. In jedem Fall ist das Gebiet für die erste Begegnung mit einer O. wie geschaffen.“
„Dann werde ich Ihnen dort so begegnen.“
„Es sei denn, es regnet. Frierende Frauen werden unsinnlich, und wenn sie noch so devot sind.“
„Erwarten Sie Spezielles? Kleidung, Frisur? Genaue Informationen werden wir noch austauschen?“
„Ein oder zwei Tage vorher. Schön, wie Sie mitspielen: austauschen ist das passende Wort.“
„Ich spiele gern.“
„Die Wettervoraussage sollte einigermassen verlässlich sein. Aber ich habe mir den Nachmittag jetzt eingetragen.“
„Ich bin freudig erregt.. entschuldigen Sie.“
„Für diesen Satz dürfen Sie meine rechte Hand in die Handfläche küssen.“
„Auch macht mich Ihre Stimme nervös.“
„Sie haben anrufen wollen.“
„Sie ahnen nicht, wie ich es geniesse und wie ich Ihre Sätze in meine Erinnerungen aufnehme, sie aufsauge!“
„Es ist für Sie ein grosser Genuss, ich weiss, wenn sie ihren Körper als den einer erotischen Dienerin real anbieten dürfen… wenn Sie das zum ersten Mal tun dürfen, zu einem wieder ersten Mal.“
„Aber es muss etwas an der Situation sein, das ich nie vergesse. So etwas kann furchtbar enttäuschend sein. Es muss etwas Besonderes haben, etwas nicht-Banales, Herausgehobenes… finde ich. Verzeihen Sie mir, dass ich solche Ansprüche stelle.“
„Was sollte ich daran verzeihen?“
„Dass es mir nicht zusteht.“
„Sie wollen nicht, dass Ihnen das zusteht.“
„Es kommt dabei auf den Mann an.“
„Lassen Sie uns das Gespräch jetzt beenden. Alles Nächste gehört in die Realität.“
Ich legte auf. Die Stimme dieser Vierzigjährigen klang nach der eines gerade erwachsen gewordenen Mädchens; sie umgab die Reifheit ihrer Erkenntnisse mit der Haut noch ganz grüner Früchte, die nicht wissen, was sie sein werden. Devotheit, dachte ich, war hier als eine Spielart der Hoffnung gewachsen: sie hatte von dieser erstaunlichen Frau erfolgreich alle Bitterkeit abwehren können. Daher die helle Süsse ihres Lachens. (Ich trat kürzlich aufgrund einer Anzeige auf sie zu, worin sie schrieb, sie habe ihren Herrn verloren und suche, weil ihr die Demut so fehle, ein Vergessen.)
@ vergil Was wollen sie mit dieser serie schreiben? Eine poesie der dominantsubmissiven geschlechterliebe, eine blumige poesie aus auf die spitze getriebenen gender-unkorrektheiten, arabeske schlingpflanzen der anti-emanzipation?
Klingt a bißerl nach Großer Onkel mag kleines Mädl…
Fehlt nur noch Musik von Gary Glitter