Ein wesentliches Mittel der Ausübung politischer Macht besteht darin, ein Unrecht vergessen zu lassen, das man bewirkt hat, um ein Ziel zu erreichen. Es wird so lange geleugnet, bis entweder das Gegenteil bewiesen ist, aber selbst dann verliert es schnell an Bedeutung, oder aber, bis es de facto vergessen ist. Die Herzen schlagen, auch der Besiegten, nicht selten bald auf der Seite des Siegers (das Denken schlägt dort auch). Besiegte mit gutem Gedächtnis haben darum die Legende erfunden; in ihr lebt die Wahrheit weiter. Es sind politische Machtinstrumente von Unterdrückten. Daher rührt die Kraft sämtlicher Märchen.
[Es gibt um dieses ein unbewußtes Wissen, das auch solche haben, die zu Recht, aber mit Hilfe eines bleibenden Unrechts, besiegt worden sind. Weshalb man von bösen und guten Legenden sprechen kann; gemein haben sie den wahren Kern des Zweifels.]
Das „Vergessen“ als „Machtmittel der Verfälschung“ betreiben aber auch die ehemals Siegreichen, die später dann doch noch zu Verlierern werden. Demzufolge könnte man in der Aufzählung auch „Moskau“ oder – deutlicher – „Ost-Berlin“ nennen. Auch sie fälschten die Vergangenheit als Sieger – wie auch jetzt diese Vergangenheit abermals verfälscht zu werden droht.
@Keuschnig. Ja. Das gehört zu den sich weiterorganisierenden „Fein“griffen des Vorgangs. Meine Beispiele sind tatsächlich nur Beispiele, die mir spontan einfielen. Etwa gehört, in deutschem Zusammenhang, auch der Kyyhäuser dazu, also die Umfäschung von Friedrich II,dem Stauffer, in Barbarossa, der ursprünglich gar nicht gemeint war. Daß sich Friedrich II. für einen sich mit Babarossa hingegen leicht unterbaubaren Nationalismus nicht geeignet hätte, ist symptomatisch.