8.44 Uhr:
[Arbeitswohnung. Händel, Rinaldo.]
Eben erst aufgestanden, vor einer Viertelstunde erst aufgewacht; ich hatte auch erst gar keinen Wecker gestellt, als ich gestern nacht nach zwei Spielfilmen ins Bett ging. Aufgewacht mit der Überschrift „Wir Scheidungskinder“. Ich werde den Vormittag damit verbringen, >>>> Gedanken dazu aufzuschreiben. Das Gedichtbuch liegt unten im Laden von DINOR Feuerlöschservice in einem für mich übers Wochenende deshalb unerreichbaren Paket. Cello werde ich üben, neben mir liegt >>>> Octavio Paz‘ Suche nach einer Mitte, außerdem >>>> das Protokoll des Dialogs da, den Wolf Singer und der zu einem buddhistischen Mönch konvertierte Biologe Matthieu Ricard geführt haben; sowie >>>> Daniel Schwartz‘ enormes Samarkand-Buch und >>>> Michael Gielens Unbedingt Musik. In diesen Büchern will ich lesen und eigentlich, außer den Scheidungskinder-Überlegungen, gar nichts anderes schreiben. Gegen 14 Uhr wird mein Junge zum Celloüben herkommen, um 16 Uhr sind wir in >>>> Ottorino Respighis Kinderoper „Dornröschen“, danach wollen wir über den Weihnachtsmarkt an der Staatsoper schlendern und einmal Achterbahn fahren; abends werd ich den Jungen dann wieder zu seiner Freundin bringen, wo er abermals übernachten möchte, während die Frau bei der neuen Premiere ihres neuen Liebsten sein wird: Alma Mahler und ihre berühmten Männer. Blickt man auf ihr Leben zurück, von dem >>>> ein schlechtes Erinnerungsbuch verlogene Kunde gibt, dann fragt man sich, was denn nicht nur >>>> Kokoschka geritten hat. Böswillige Stimmen haben behauptet, Alma habe (>>>> heutiger referrer) gut ge„blasen“, nun ja, das kann ich nicht mehr bestätigen. Wenn ich an Gustav Mahlers Wahn denke, als seine Frau ihm eröffnet hatte, daß sie sich trennen wolle (was sie letztlich nicht tat, weil sein Tod es verhinderte – und sowieso, sie sonnte sich zu gern in seiner Macht; doch einen Psychoanalytiker, Freud nämlich selbst, aufgesucht hat auch er), wird klar, was Ricard meint, wenn er von einem reinen Bewußtsein spricht, das sich nicht von Emotionen verunklaren lassen dürfe. Hat er, Mahler, die Strukturen damals begriffen oder nicht? Doch bei ihm, anders als bei mir, war immerhin Geld, und w a r unterdessen Macht – mochte seine Musiken verreißen, wer wollte. Man vergißt sowas ohne präzise Rückschau immer schnell: Seine musikalische Bedeutung wurde erst lange nach seinem Tod offenbar, zu Lebzeiten hatte sie wenige, sehr wenige Wisser, Willem Mengelberg etwa, und Bruno Walter.
Was ich selbst dann am Abend tun werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht schon mal die Kritik zur Oper skizzieren.