Neunzehnter Tag vor den Kalenden (des Januar). Dies fastus.
So schleicht sich der Januar schon ein. Bene. Wahrscheinlich wird es Weihnachten sogar Interessenkonflikte geben, was meine Anwesenheit beim Weihnachtsessen im Haus der Neffen betrifft. Denn O. wird auch dort sein, die aber nicht mit mir kommuniziert, nicht mal wegen einer morgen fällig werdenden Zahlkarte, die mein Wohnen mit ihr im letzten Jahr noch betrifft. Sie bat die Mutter der Neffen, diese Zahlkarte abzuholen und mir zu übergeben. Beiliegend eine formell grüßende Erklärung, warum sie meine, daß ich das zahlen müsse. Ein geringer Betrag übrigens und fast nicht der Rede wert. Aber ihre Überlegungen definierte ich als pedantisch: Auf der Post fragt niemand danach, wer was einzahlt, ob da nun sein Name steht oder nicht. Sie habe angerufen bei der betreffenden Stelle, ob sie das einzahlen könne. Die natürlich irgendwas von Inhaberschaft usw. erzählt haben wird. Und weil ich diese dreizehn Euro auch noch von der Steuer könne abziehen lassen. Als ob Formalitäten das Korrekte einer Beziehung zwischen Menschen ausmachten. Sie beruhigen das Gewissen. Aber auf der Grundlage kodifizierter Interessen. Und diese Interessen drücken mitnichten ein Interesse am anderen Menschen aus. Die Bücher Mosis, die Worte des Vorsitzenden Mao, das Zivilgesetzbuch, die Nummern der Paragraphen. Ein anderes sind die Formalitäten der Freundlichkeit. Die haben ihre jeweilige Eigengesetzlichkeit, die nirgendwo geschrieben steht. Aber Brechts Gedicht „Von der Freundlichkeit der Welt“ ist so pessimistisch wie es die Formalitäten sind, die sich auf Paragraphen berufen. Und die zwei Hände Erde, die – gegeben und empfangen – einen Jeden die Welt lieben lassen, lassen nur den Sarg dumpf widertönen, auf den die Erde geworfen wird. Und so läßt sich auch verstehen, warum ein anderer Neffe von mir, der zur Zeit seinen „Dienst“ in Afghanistan „ableistet“, bei der Nachricht weinte (die eine Schwester rief heute an), sein Großvater wäre gestorben: die zwei Hände Erde wirft er in einen fremden Himmel, wenn überhaupt. Und die Ohnmacht ist das weiche Kissen, auf dem nur einschläft, wer sich zuvor betäubt hat.
Il cielo grigio ma limpido.