9.40 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Erst um neun aufgestanden, einmal vorher um sieben aufgewacht, ich war erst um halb vier um Bett; noch um drei in der Nacht nahm ich mein Cello und probierte sehr leise, schöne Töne zu spielen, nur die Töne, nichts sonst; um eins schon mal vorher, da unterbrach ich das Video, ich konnte nicht anders, setzte mich ans Cello, nur zwanzig Minuten, dann später noch mal zwanzig Minuten, und langsam, parallel, soff ich mich zu. Das ist nicht gut; ich werd jetzt erstmal keinen Alkohol mehr kaufen.
Gleich nach dem Aufstehen, eben noch den latte macchiato bereitet, an das Gedicht gesetzt, daran sitz ich jetzt. Irgendwann nachher kommt mein Junge fürs Celloüben, spätnachmittags um 17 Uhr werd ich M., den Freund, treffen und >>>> Susanne Schleyer, die beide über Festtag und Jahr fortfahren; auch Eisenhauer meldete sich noch mal und ist nun weg; der Profi ist weg, Αναδυομένη ist schon seit Tagen weg.
Ich sollte mich an die Steuer setzen, noch hab ich sieben Tage.
Aber ich sitz an dem Gedicht.
Immer wieder nehme ich DER ENGEL ORDNUNGEN her, blättere und lese; aber das Buch ist nicht so, daß ich es g e r n e zur Hand nehme, es liegt neben mir wie ein fremder Gegenstand, den ich erst entschlüsseln muß: das Provisorische des Umschlagaufdrucks macht es unangenehm, danach zu greifen, es ist da etwas Billiges dran, auch an den zu fett gedruckten Typen; ich leide richtig ein bißchen, wenn ich es sehe. Dann habe ich festgestellt, daß in einem der Sonette eine ganze Zeile fehlt, so daß da die Form mißlungen ist; ich bin daran aber selbst schuld, denn die Zeile fehlte schon in den Fahnen; ich habe es einfach nicht bemerkt. Und dann, was ich auch nicht bemerkt habe, ist, daß ein Gedicht sowieso ganz fehlt, >>>> dieses. Das ist besonders schade. Wie anders dagegen >>>> die himmlische Ausgabe der AEOLIA, worin wirklich alles alles stimmt bis in den liebevoll gestalteten Satz, jede Sentenz und jedes Bild der Sentenzen, bis in die Sperrungen, bis in die sonstigen (semantischen) Hervorhebungen. Eben habe ich gedacht: in diesem Jahr ist dein schönstes und dein häßlichstes Buch erschienen, und in dem häßlichen Buch sind die Schönheiten wie vergraben; man muß sie, indem und wenn man liest, erst ausbuddeln.
Es geht mir nicht gut heute, ich hatte nicht mal Lust zu duschen gestern und heute; aber das Gedicht wird gut. AnO nannte die ersten Verse gestern „archaisch“, auf Nachfragen, denn erst hatte sie von „irre“ geschrieben. Auch die BAMBERGER ELEGIEN habe ich gestern wieder vorgenommen und war ein wenig erstaunt, wie gut die Änderungen in den ersten drei Elegien dastehen.