Drei XL Pakete sind voller Fotos. Viele Personen kenne ich nicht (sind Tante Gretas Erinnerungen). Einige Gesichter haben Vertrautes (sind wohl Tante Gretas Ahnen).
“Lene!“
Oh, Süße, schmale Lene mit hüftlangem, rötlichen Haar. Ihre feine Stimme, der Schmelz ihrer Taille, den Bauchnabel, die sanft herausragenden Hüftknochen und die sinnliche Weise ihrer Bewegungen, Armkreise, barfüssige Tänze. Unter dem Mond. Sie hatte wirklich eine Scheibe! Mit 15 beschloss Lene (Nein: “Man wird als eine geboren!“ Sagte sie.), eine weiße Hexe zu sein. In den Ferien. Im Sommer. Nachts. Kurz vor Zwölf Uhr, standen wir im Garten.
“Los. Schütt. Bleib innerhalb des Kreises. Gegen den Urzeigersinn, damit wir aus der Zeit rutschen.“
“LEEEEENE! Ich bin mir nicht sicher wozu und wozu auch nicht drei Kilo Raffinade Salz, falls es Knorz-Trolle und garstige Feen, listigen Elfen, heimtückischen Universumsgeister, außerirdischen Lebensformen geben würde, gut sein sollte? Und wider Erwarten doch und selbst wenn ich das, was nach Eso-Verarsche ausschaut, physikalisch betrachte, wird uns dieser Salzkreis heroisch NICHT BESCHÜTZEN.“
“Schütt. Ja so. Feuer für den Süden, Blütenblätter für den Osten Erde für den Norden, Wasser für den Westen …. Erden.“
Wir lagen im Kreis. (Es wäre ganz sicher auch ohne das gegangen. Vielleicht nicht s o ?) Betrachteten die Sterne, den Mond, den ganzen Himmel. Der Wind zog leise. Die Geräusche um uns klangen intensiver, je länger wir ohne Worte waren. Grillen, ferne Stimmen, Feuerknister, Wasser. Die Welt wuchs wie eine Zauberbohnenranke über Lenes Lippen, als sie von Ihren Träumen und Gedanken erzählte. Das schönste aber waren ihre grünen Augen, ihr Schoß unter meinen Kopf. ‚Bleib bei mir.‘ Eine Postkarte aus dem Süden, ein R-Gespräch aus Poona, eine Brief aus irgendwo und irgendwann habe ich sie verloren. Oder anders. Sie verschwand hinter all dem, was mich im am Tage beschäftigte, vorantrieb, einnahm, scheinbar brauchte. Die Erdung habe ich manchmal probiert. Heimlich. Mit den Gedanken. Barer Fuß, Strumpfgewebe, Schuh, Lederadern, Teppichboden weiter fädeln durch Stahlkonstruktionen, vom dreiundzwanzigsten Stock aus, unten Schutt Kanalisationsteine auf Erde. Vorpräsentationsmeditation oder Bitte-lass-mich-diesen-Kerl-kriegen-Fürbitte. Geholfen hat ’s nicht vollumfänglich, denn ich bin eine NONAME geworden. Unumkehrbar. Gebete taugen zu Linderung, zum Trost, um die scharfen Kanten der Dinge abzuschleifen, damit sich das Leben einigermaßen tragen lässt.
Meine Kinder werden ab nächsten Montag eine kirchliche, evangelische und doch konfessionsfreie Schule besuchen. Woran ich das fest gemacht habe? Weniger an meinem Glauben, sondern mehr an der Ausstattung auf dem Schulhof (Weidenzelte, Baseballfeld, Amphitheater … ), der eigenen kleinen Schulküche (es gibt Linsen und selbst gemachte Nudeln, Plinsen und Dampfnudeln mit Blaubeeren, stolze 41 Gerichte im Wechsel). An der Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften (Imkern, Theater, Chor, Fremde Kulturen Yoga, Börsenspiel, Schulzeitung, Reiten, Judo, Polnisch, Klavier …), der Ausbildung der Lehrkräfte und am k u r z e m Anfahrtsweg. Es gibt “Rabatt“ im Schulgeld für Geschwisterkinder. Maximal siebzehn Schüler/innen pro Klasse. Reine Abwägung: Dies alles gegen täglich 10 Minuten Morgenkreis mit freieilligen Gebeten. Sollte ich einen Glauben haben, ist es der an meinen traditionsfreien Erfüllungsanspruch auf gute Kompromisse, die gelegentlich zu einem freundlichen Lächeln führen …