Prid. Id. Mart. Anno 2762 a.u.c.

Tag vor den Iden. Equiria [Pferderennen wie am 27. Januar]. Dies nefastus publicus.
Dem einen Vogel im noch kahlen Baum gegenüber gelauscht, der nicht zu sehen war. Stimmenreichtum der variantenreichen Modulierung, zuweilen ein gutturales In-Sich-Hineingurgeln, als spräche er mit sich selbst. Dann kam ein anderer Vogel angeflogen. Wahrscheinlich die Sie. Machte zwei Knickse. Da flog dann er davon, sie gleich schnatternd hinterher, nicht singend. Stand vor dem kleinen leeren Saal, der zu einer „modernen“ Stadtrandkirche in Amelia gehört. Neben der Eingangstür ein im Erz erstarrter Erzengel. In diesem kleinen Saal ein langer Tisch mit Kuchen, Knabberzeug, Stückchen Pizza, Getränken. Den die Mutter gemietet hatte für die Geburtstagsfeier der Neffen, die zwölf geworden waren. Die spielten mit den Freunden auf einem nahen Platz Fußball. Die Mädchen hielten sich woanders auf, nicht bei den Jungen. Die Mutter war einen Moment fort, um weiteres Essen zu holen: Tiramisù. Dann aber mußte ich fort, als sie zurück war: noch einkaufen. Neugierig bin ich wegen des einen Neffen, der angefangen habe, eine Geschichte zu schreiben, die in Amsterdam spiele (die Mutter des besten Freundes ist Holländerin). Den ich auch noch vorher von einem Fußballspiel abholen mußte, wobei ich sah, wie er ein Kopfballtor schoß. Zu dem ich ihn dann natürlich beglückwünschte. Aber zu dieser Feier fuhr ich auch nur, weil ich sicher war, daß O. nicht kommen würde. In den Zeitungen, im Gespräch, im Bureau, wenn ich das hier als mein Büro bezeichnen wollte, verführt oft das Temperament der Sprache, dann die leisen Laute, aus einer gegenwärtigen Schwäche geborene Hoffnung auf Mitteilenswertes, plötzliche desto stärkere Erleuchtung schon im nächsten Augenblick, oder starkes Selbstvertrauen ganz allein oder auf mich gestellt oder bloße Nachlässigkeit oder ein großer gegenwärtiger Eindruck den man um jeden Preis den du gleichwohl nie das Geld hast bezahlen zu können auf die Zukunft abwälzen will oder die Meinung, daß gegenwärtige wahre Begeisterung jede Zerfahrenheit in die Zukunft rechtfertige oder die Freude an Sätzen wie diesem, der keiner ist und keinen setzt, die in der Mitte durch ein oder zwei Stöße gehoben sind und den Mund allmählich sich runden lassen zur Aufnahme von Speis’ und Getränk und zu seiner ganzen Größe öffnen, wenn sie ihn auch viel zu rasch und gewunden wie die Ornamente eines kollektiven Bewußtseins sich schließen lassen in der Spiralgeste oder die Spur der Möglichkeit eines entschiedenen auf Klarheit angelegten Urteils oder das Bestreben der eigentlich beendeten Rede noch weiterhin Fluß zu geben oder das Verlangen, das Thema in Eile zu verlassen wenn es sein muß auf dem Bauch oder ohne das Kursive, das nichts anderes will, als sich hinfortschreiben von der Wortgeste des O.-Nicht-Sehen-Wollens, oder das sich selbst negierende Verlangen oder die Verzweiflung, die einen Ausweg für ihren schweren Athem sucht, oder die Sehnsucht nach einem Licht ohne Schatten… das aber glaub’ ich ihm nicht, weil ich es mir selbst nicht glaubte. Schatten fotografieren heißt Schattenlichtschreiben. Hab’ ich alles, das Kursive aus einem denkwürdigen Satz in Kafkas Tagebüchern, der mich in sich hineinzog. Auch zum Tag gehörig und drum hierher.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .