6.53 Uhr:
[Bamberg. Balkon unterm Michelsberg.]Ausnahmesituation, urlaubsähnlich. Sie merken das daran, wie zurückweichend momentan meine Einträge in Der Dschungel sind, obwohl es durchaus Diskussionen gibt, zu denen ich e i n i g e s sagen wollte, etwa >>>> diese zu AIDS generell, zu Hexenjagden n o c h allgemeiner und zu Frau Benaissa im besonderen, obwohl ich sie ja überhaupt nicht kenne, nicht mal die Musik, die sie „macht“. Ich sah gestern, während meiner aufenthaltsamen Rückfahrt von Mannheim-Seckenheim über ein Römerlager am Limes in Osterburken– der kleine Grenzverkehr hielt auf, brachte aber Bildung ins Warten, die wiederum ein Personenschaden begründete, welcher der Euphemismus für Freitod durch Freisprung vor fahrenden Zug ist…. – sah mithin gestern über die Zeitungslektüren meiner Mitreisenden hinweg- bzw. hineinlugend einiges Drohende: s o dick stand A I D S in der BILD schon lang nicht mehr drin. >>>> Meine poetische Meinung zu dem virilen Problem tat ich bereits vor Jahren kund; es hat sich wenig an ihr geändert; so wird sich auch wenig an den Protesten geändert haben, die meine Formulierungen seinerzeit löckten.
Also der römische Grenzverkehr, ich durchschritt das Kastell, besuchte das Museum in Osterburken, sah mir Praefekten an und Fußsoldaten und frapant an Asterixens Heimatdorf erinnernde germanische Siedlungen, wobei ich zudem endlich einmal erkannte, daß der Limes viel mehr der Strukturierung eines kleinhandelnden Warenverkehrs als der Verteidigung oder gar für einen vorgeschobenen Kriegswall gedient hat; und dieses ausgegrabene römische Bad ist ganz besonders hübsch. (Auch wie man den Limes erst als Schneisen in den Wald trieb, nicht etwa als durchlaufenden Grenzwall, fand ich unmittelbar sinnlich). Mit >>>> Flavian Kurth ging es dann nach Würzburg weiter; ich hab mir Sätze angestrichen, fast unerwartet hat das Buch ein Format gewonnen, das auch auf den ersten, ziemlich hardcorigen Teil zurückgreift; vierzig von den vierhundertvier Seiten liegen nun noch vor mir. Arbeiten will ich dennoch nicht. Nachher geht’s in >>>> die Villa Concordia, um Ulrich Holbein zu besuchen, der da nun neuer Jahres„gast“, was auch ein Euphemismus ist, ist (ha! ich l i e b e „ist, ist“’s), und am nachmittag fahren wir >>>>> Gerd Kanz besuchen, dessen Materialbilder mir in Berlin so gefallen haben. Falls es zu regnen aufhören sollte, wollen wir ein Feuer im Garten machen; ich fürchte nur, es regnet sich ein.
Um elf will ein Journalist vom Spiegel anrufen wegen eines Interviews zu Netzpublikationen, bei mir vor allem wegen Der Dschungel. Der Mann rief schon gestern während der Zugfahrt an, aber ich telefoniere ungern vor anderer Ohren; man kriegt über die Mobilchen schon immer genug an Beziehungschaos seiner Mitfahrer mit; daran stört vor allem die allgemeine Ähnlichkeit und die Lautstärke, mit der sie sich aufdrängt.
Wie mag es Cellini ergehen?