Vierter Tag vor den Iden. Dies nefastus publicus. Spiele.
Diese Landschaft trägt die Züge einer alten Frau und ein päpstlicher Aquedukt kriecht darüber hinweg als Riesenraupe. So spricht Dante mit seinem üblichen Pessimismus über diese Gegenden:
So rauh, so dicht hat kein Gestrüpp zum Neste
Das Wild, das flurenscheue, von der Flut
Der Cecina bis an Cornetos Feste;
Die schlechte Laune der Dichter ist nicht wörtlich zu nehmen, ebensowenig ihre gute Laune. – Alberto Savinio, Dico a te, Clio (die Dante-Verse nach Falkenhausen). Corneto ist der alte und eigentliche Name des heutigen Tarquinia (Cecina hingegen in der Toskana bei Livorno). So umgetauft wegen des ursprünglichen etruskischen Tarquinia, dessen Lage aber nicht dem heutigen Ort entspricht. Glücklich angekommen und eingeparkt mit ihrer Hilfe (was ich mir allein wieder nicht zugetraut hätte wegen des geringen Platzes („Wenn du mal älter bist, wirst du erzählen können: und dann kannte ich eine „strana ragazza“, die hieß S., die mir das Einparken beibrachte.“ – „Das aber nur als Incipit!“)) vor der Nekropole. Sie sah sofort ein Plakat: ausnahmsweise Besichtigung mit Führer von sonst geschlossenen Gräbern. Die Uhrzeit war genau die richtige. Aber, die seien dennoch vor fünf Minuten abgefahren, denn diese Gräber befänden sich woanders. Den Weg beschreiben lassen: die Straße neben derjenigen, die zum Friedhof führt, wo nur 30 km/h erlaubt sind, „kann man nicht verfehlen“. Die Straße zwar fanden wir, sahen auch überdachte Gräber mit geschlossenen Zugangstüren, aber kein Kfz weit und breit, das uns hätte anzeigen können, nun auch die abgefahrene Gruppe gefunden zu haben. Am Ende auf einer Provinzstraße gelandet und einfach weitergefahren. Links zog sich der erwähnte Aquedukt durch die kahlen und längst abgemähten Hügel. Ein Schild dann: Akropolis von Tarquinia. Und kamen, ohne es gewollt zu haben, zu der Stelle, an der das alte Tarquinia stand. Kahle Hügel und vorspringende Plateaus, die Linie des Meeres. Die Etrusker hatten nur eine feste Bleibe für die Toten. Vom Leben bleibt nichts. Keine Gebäude. Nichts. In die nackten Hügel mit spärlicher Vegetation hatte Regen tiefe Rillen geschnitten. Den Weg dann weiterfahrend zumeist im ersten Gang und sehr vorsichtig zuweilen: auch hier hatte Regenwasser sich in den Weg gegraben. Glücklicherweise nichts Unüberwindbares: Wenden wäre unmöglich gewesen. Rechts und links Gestrüpp, zerzauste Bäume (was für welche?). Manchmal eine Krähe, die über das kahle Auf und Ab dahinschwebte. Außer den Bäumen am Wegrand eine unerbittliche Baumlosigkeit. Die Felder noch ungepflügt. Sonst wäre alles in ein dunkles Braun getaucht. Im Frühjahr dann wohl grün. Fläche ohne Tiefe. Wüstenei. Am Ende wurde es wieder asphaltiert. Ein Spalier halb vertrockneter Kiefern. Ein Sonnenblumenfeld inmitten der Ödnis mit schon nach unten sich neigenden Köpfen. Und wurden uns des großen Bogens gewahr, den wir gefahren waren: Tarquinia erschien von einer ganz anderen Seite. „Entweder wir versuchen es noch mal mit der Nekropole oder wir fahren ans Meer.“ Und taten das, was sich als das Richtige erwies. Wir fuhren ans Meer. Zum ersten Mal geschwommen in diesem Jahr. „Einmal die Woche ans Meer? Ich hol’ dich ab.“ Und dann den Abend noch in Tuscania. Und an den Füßen kratzen, an denen der Strand Teerreste hinterlassen hatte. Körnig bröselte er von der Haut. Ein paar kleinere schwarze Flecken blieben vorerst. Fauler Sonntag. Affenhitze ist angesagt für die nächste Woche.