In der Kunst aber gilt, daß die wirklich interessanten Texte zweideutig sind. Den Monteur treibt das perfide Verlangen, alles, was eindeutig ist, zweideutig zu formen: Die Zweideutigkeit dieses Satzes ist selbst schon konstruiert. Eben deshalb trat die Montage im Hochkapitalismus auf: Wenn die Ökonomie identifiziert, tut die Kunst, indem sie das Prinzip pervertiert, das Gegenteil. Die Zahnpastenreklame ersetzt die Frau mit den schönen Zähnen, weil die Zahnpaste es auch tun soll. Mittlerweile folgt man nicht schimärischen Frauen wie irr durch die Straßen, sondern eben den Zahnpastenreklamen, auf denen schimärische Frauen abgebildet sind. Das ist an sich ja nicht schlimm, nur sollte man es wissen.
Grausame Literatur? Hä? Haben Sie schon mal welche gelesen – ich nicht.
@Hacke. Nun, das mag einfach daran liegen, daß Sie insgesamt wenig gelesen haben. Es mag auch daran liegen, daß das Wort „grausam“ ganz verschieden interpretierte Inhalte hat. Jedenfalls kommen Sie ganz sicher weiter, wenn Sie alleine Ihrem „Hä“ ein bißchen hinterhermeditieren.
na dann ist aber grausam vielleicht ihre bezeichnung für nicht schöne literatur. Ich lese viel. Wenn Literatur schön ist, dann heißt das ein gutes Buch. Grausam ist nur, wenns schlecht geschrieben ist. Haben Sie viel gelesen?
@Hacke. Ist Jahnns Medea schön?
Im übrigen lese ich bekanntlich nie. Wozu auch? Ich halte es mit Tucholsky: schon der schrieb, er schreibe sich seine Bibliothek selbst. Und von Karl Kraus stammt der hübsche Satz, wer als Dichter viel lese, mache sich von vornherein verdächtig. Aber ist die Bibel schön? Ich kenne da Stellen, ich kann Ihnen sagen! Auch wenn ich mich verdächtig mache.
Wir können die Frage aber weiterspinnen. Ist die Löwin ihren Jungen gegenüber grausam, wenn sie ihnen etwas zu fressen reißt? Ist sie gegenüber der Imapala grausam? Und was, wenn wir schon mal dabeisind, ist mit dem Theater Artauds? Wäre, nach Ihrer Schönheitssicht, Ishiguros The Unconsoled ein gutes Buch? Ich möchte Ihren Satz gerne umkehren: Wenn Literatur gut (geschrieben) ist, dann heißt das ein schönes Buch. Wovon sie schreibt (also ihre „Moral“), spielt dabei keine Rolle.
trotzdem ich bleibe dabei. Grausam ist grausam. Ein Buch kann nicht grausam sein. Grausam ist ein Kind von seiner Mutter trennen oder ein Tier quälen, oder jemanden foltern. Was sie grausam nennen, ist dann vielleicht aufwühlend beim Lesen oder eben mit viel Gefühl. Bücher sind nicht grausam, höchstens gruselig oder aufregend oder traurig oder lustig oder alles zusammen.
Wenn Bücher grausam sein sollen, dann geht ein Wort in den falschen Gebrauch.
Ich denke, jeder Schriftsteller würde das genau so sehen. Also Bücher können nicht grausam sein.
hacke – herbst meint wohl schöne literatur muss so angelegt sein, dass sie eindeutigkeiten ( versuchten verbindlichkeiten ) mit mehrdeutigkeiten ( letztlich : oberflächlichkeiten ) quälend begegnet.
ein buch selbst kann nicht quälen ( grausam sein ) man muss dies weder kaufen noch nachhaltig lesen.
@Hacke. Halte ich für Unfug. Ein Buch als materieller Gegenstand kann sicher nicht grausam sein, so wenig wie ein Stein, aber es gibt Ideen, die es sind; und ich schrieb ja Literatur, nicht etwa Bücher. Möglicherweise ist Ihr metaphorisches Vermögen weniger ausgebildet als meines, weniger phantastisch, mag sein; möglicherweise lesen Sie prinzipiell konkret. Man kommt damit ganz sicher weniger beunruhigt durchs Leben. D a s aber ist definitiv falsch: „Jeder Schriftsteller würde das genau so sehen“; es ist einfach schon falsch, wenn ich allein es anders sehe, da ich nun mal – Sie mögen’s beklagen oder bejubeln – einer bin. Und ob nun ein vorzüglicher oder gräuslich schlechter – darüber wird, >>>> seit ich publiziere, heftigst gestritten – ein „Schicksal“, daß ich mit nicht den geringsten Künstlerkollegen der Kunstgeschichte teile, egal, ob Maler, Komponisten, Dichter. Sehen Sie mir nach, daß mich dieser Umstand bisweilen auf angenehme Weise arrogant macht. Das ist eitel, ich weiß, aber begründet. Vielleicht nehmen Sie auch einfach mal etwas von mir an.
@ephemerer irrender. Leiten Sie bitte Ihr „letztlich“ logisch ab? Mich interessiert tatsächlich, aufgrund welcher Schlußkette Sie daraf kommen, daß am Ende von Mehrdeutigkeiten die Oberflächlichkeit stehe? Auch daß eine Eindeutigkeit eine zumal versuchte Verbindlichkeit sei, kommt mir dahergeplappert vor. Eindeutigkeiten haben Bezüge; damit Ihre Aussage überhaupt einen anderen Sinn als den einer suggestiven Rhetorik haben kann, muß der Bezug klargestellt werden: eindeutig in Bezug auf was.
(Mir ist schon klar, daß es hier mal wieder darum geht, irgendwie den Störer Herbst loszuwerden – er stört allein, weil er einen immer wieder herlockt; man könnte ja auch einfach andeswo lesen -; also ja, das ist mir klar. Aber man kann auch aus rhetorischen Schlammwürfen Gebilde bauen, die spätestens dann etwas tragen, wenn sie getrocknet sind.)
anh ein mehrdeutiges( mehrfach besetztes ) wort spreizt das eindimensional scheinende eindeutige wort ( wobei ich der meinung bin, dass es eindeutigkeit irgendwie gar nicht geben kann – also wenn, nur als versuch sozusagen ) in eine imaginierbare fläche ( oberfläche ), welche sich aber mehrdimensional auch als räumlichkeit noch mit viel fantasie womöglich interpretieren liesse.
wieter würde ich das erst einmal nicht zerlegen.
ich dachte eher, als ich das eben so locker ( & womöglich apercuhaft – wer weiss ) fallen liess an kommunikationsstörungen vor allem aus dem alltäglichen heraus, sprich insofern mehrere kommunikationsteilnehmer mit hauptsächlich mehrfachbelegten wörtern hantieren so kommt für meine begriffe vermutlich nur noch nonsens ( alberei, ulk, gelächter ) heraus.
entschuldigung – anh nun wurde ich gerade chaotisch – also wenn sie oben den ausdruck wort durch denausdruck gedanken ersetzten so wäre wohl eindeutigkeit gewonnen.
alles glatteis – wie mir scheint – über die angeschnittene thematik schönheit / grausamkeit / literatur exakt zu verhandeln.
ich meinte eben drum, weil man auf Worte achtet, kann man auch nicht sagen, literatur ist grausam. die sprache wurde doch zur Unterscheidung erfunden. Sie nehmen nun eine Übertragung vor, und nennen Literatur grausam oder Ideen. Wenn aber literatur grausam ist oder ideen, dann ist da einfach ein Wort aus einem anderen Bezug genommen, ungefähr so, wie nun auch alles „genial“ sein muss..Man liest und hört dann, dass xy ein genialer tennisspieler oder ein genialer komiker ist, damit kommt aber das, was Genie einmal gemeint hat, herunter auf einen xbeliebigen gebrauch. Sicher kann ich auch sagen – umgangssprachlich, das Essen ist grausam – oder ähnliches, aber so kommen allmhählich die Sonderheiten und Steigungen der Worte abhanden, und schließlich befinden wir uns im Flachland der grausamen Erbsensuppe und der genialen Pfeffermühle. Dagegen hätte ein Karl Kraus, der Schriftsteller war, auch etwas gehabt.
Es ist doch ein Amt, für das, was sie sagen wollen, ein eigenes Wort zu erfinden oder ein präzisen wort zu benutzen.
übergebe an hacke so dieser will
( hat wohl kaum sinn als einzelner pingpong gegen zwei zu spielen – )
für mich ist schöne iteratur durchaus fantasievoll und kann insofern sie dies ist einen rezipienten quälen ( oder eine realität ) welche an eindimensionalität ( eindeutigkeit ) womöglich zu verkrusten droht.
hacke & anh eine zweideutigkeit gewinnt in ihrer aufspreizung von realitätswahrnehmung hin zur fläche horizontale tiefe – eine vertikalität symbolisiert sich in form von auslotung oder sondierung oder vergleichbar „eindimensionalem“ ( für mich eindeutigem ).
naja – chaos war wohl oben intendiert ( selbstoszillation wohl in meinem ephemeren fall heut )
eindeutigkeit verstehe ich überhaupt nicht. Die Deutigkeit stellt sich beim Lesen her. Im Leser. Einen Text von vorn herein „zweideutig“ montieren zu wollen, funktioniert nicht. Also es wird meist ein schlechter Text.
hacke letztlich einigt sich man ja wohl darauf dass alles darstellen versuch ist und lässt
das später beim schreiben aussen vor ( man fügt es nicht ständig irgendwelchen worten oder gedanken bei ).
– also versuche einer präzisierung ( oder präzisiertheit ) in richtung eindeutigkeit, welche wohl immer – was besetztheiten ( oder genauer besetzungen ) anbetrifft – die basis für mehrdeutigkeiten ( 2- bis n-deutigkeit ) darstellen, sonst wäre dem leser etwas irgendwie vorfeldbezüglich versperrt ( soziales, kommunikation, interaktion )
hinsichtlich > herstellung von deutigkeit beim lesen.
würd ich mal so fluffig sagen
also hacke wollte sie nicht auf die schnelle verwirren – falls das eben zu labyrinthisch war so ergänze ich folgendes :
besetzungen ergeben sich aus einem übereignen von etwas, – als schöpferische akte von zusammenstellungsvorgängen, welche als vermittelnde ( später womöglich vermittelte ) basen ergeben, auf welche sich eine deutigkeit des lesers beziehen kann aber eben aus ( besetzenden ) kompositorischen tätigkeiten ( in diesem fall hier schreibhandlungen richtung darstellungsveränderungen bezüglich eines allgemein aufgefassten üblichen ).
schöpferische tätigkeiten nennte ich so etwas.
ansonsten spricht man von besetztheiten – also von einem allgemein geteilten auffassbaren ( z.b. wort ), welches an dessen rändern selbst sicherlich nur mutmassbar ist weil sich alles individuell verschaltet : jeder konnotiert ein beliebiges wort sicherlich anders als ein anderer, hat vor allem andere bilder oder erfahrungen mit jenem beliebigen wort.
bloss ein wohl tapsiger versuch einer repräzisierung – bin in der materie eigentlich nicht zu hause – hatte mich bloss was angezeckt, das thema, im allgemeinen.
e.irrender Das Thema Deutigkeit ist nicht sehr interessant. Da ist eine alte chose…Mir fiel nur „grausam“ als fehlgeleitet auf, eben in dem Sinn eines abschleifenden Gebrauchs. Die grausame Erbsensuppe…etc…
hacke schade dass sie meinen für mich leicht grausam geratenen vorgehenden kommentar
nicht korrigierten.
exakter hätte ich statt ( z.b. wort ) in klammern setzen müssen das : ( z.b. des wortes ) insofern ich mich nicht täusche
ansonsten verstand ich schon ihren zentralen ( und soeben affirmierten ) einwand.
aber wie sie sehen schlingerte ich leicht zwischen den jeweils angerissenen auffassungen.
der gebildete spricht halt in raetseln wie man so treffend sagt – er muss ja beweisen dass er gebildet ist
@Ebbs. Da Ihnen das eine gute Gelegenheit ist, Werbung für Ihren Hotelbetrieb zu machen, kommen Ihnen solche „Beweise“ aber doch gelegen, nicht wahr? Und in der Tat: Tirol mag auch ich.
Jo mei, in Tirol hat man’s halt nicht so mit „den Gebildeten“, da ist ja ein/e AkademikerIn schon eher suspekt. 🙂