6.23 Uhr:
[Am Terrarium.]
Irre! Draußen liegt wieder Schnee.
8.04 Uhr:
[Arbeitswohnung. Purcell, King Arthur.]
A u c h schön, von sozusagen „außen” an den Arbeitsplatz zu kommen. Getobt mit den Kindern drüben, लक brachte aus der Nacht für unsern großen Jungen und mich zwei süße Stückchen mit, damit wir „italienisch” frühstücken könnten; danach zogen wir zwei Männer, denselben Weg nehmend, ab, radelnd durch den Schnee, der freilich dünn liegt, letzter Gruß eines Winters, den ich tief genossen habe, weil es endlich einmal wieder einer gewesen ist: ich komme mit den Tropen klar, wahrscheinlich käme ich auch mit der Arktis klar; nur das, was man „gemäßigte Zonen” nennt, geht mir auf Keks und Leben. „M u ß bei Ihnen immer alles extrem sein?” hatte mich schon mein Psychoanalytiker oft gefragt, worauf ich jedesmal antwortete: „Ja.” Deshalb trage ich so gerne Gürtel aus Schlangenleder: ein bißchen Tod ist immer dabei (wer je über die „Haut” einer Schlange strich, weiß, was Genuß ist). – Jetzt hör ich den Purcell, eine „wirkliche” (wirkende) gute-Laune-Musik, mit der ich mich gleich meinen Postantworten widmen werde. Du, mein Junge, willst heute in den Schülerclub nach der Schule, so daß ich nicht kochen muß. >>>> Karten, für morgen, will ich bestellen, Mahler III, das wird für Dich, hoff ich, ein Erlebnis sein. Ja, Leser, ich präge g e r n e; ich nehme auch gerne Verantwortung an. Einstehen für hätt ich gern als Wappeninschrift. (Meine Funknetz-Verbindung ist mal wieder saumäßig.)
Morgencigarillo, Pfefferminztee. Auch ans Cello will ich diesmal vormittags.
11.39 Uhr:
[Händel, Orlando (Les Arts Florissant).]
… Ablagerei, dann, was noch offen ist, in die Hefter lose gelegt, nun „abarbeiten”, bei einigem muß ich suchen, bei anderem mir was ausdenken. Zum Früchtefrühstück kam Αναδυομένη vorbei, plauschte, bekam einen Latte macchiato. Seither nur dieses Organisations- und Verwaltungszeugs; ein Ende ist auch noch nicht abzusehen. Das Cello also doch erst nachmittags. Immerhin, das mit den Karten >>>>> für morgen hat geklappt; ich habe zur inneren Vorbereitung Barbirollis gewaltige Einspielung von 1969 aus dem Regal gezogen; die werd ich hören, wenn der Orlando vorbei ist, den ich wiederum Vorbereitung für >>>> Sonntag abend höre. Zwischendurch Telefonat mit dem Konzerthaus: ob denn mein Zagrosek-Text angekommen sei; es ist in letzter Zeit s e h r seltsam: man schickt was raus und bekommt gar keine Antworten mehr; das ist mit der Flut von Emails entstanden, daß zivile Umgangsformen rein praktikabilitätshalber auf der Strecke bleiben; ich meine, die Leute sind ja eigentlich klug, das sind nicht alles Grobiane. Hm.
Und mein Funknetz nervt mich; zwischendurch hab ich immer mal wieder nur noch GPRS. Ich denke, ich werde >>>> moobicent tatsächlich kündigen, auf Festanschluß umsteigen und mir im übrigen eine Funk-5GB-Flat hinzunehmen. Ich war ja ganz gerne bei moobicent, aber in letzter Zeit geht vor allem immer dann etwas schief, wenn ich schnell sein muß.
Weiter.
15 Uhr:
[Händel, Orlando (ff).]
Nach tiefem Mittagsschlaf schnell noch einen Geldweg gegangen; nun abermals an der Post. Das wird sich noch über den Nachmittag, wie ich’s einschätze, hinziehen; immerhin waren Rechnungen dabei, die ich längst beglichen hatte. Sowas beruhigt. Nicht, daß ich sie beglichen hatten, sondern daß auch größere Unternehmen nicht immer ganz firm in der Buchhaltung zu sein scheinen. Aber in einer Stunde schiebe ich auf jeden Fall das Cello dazwischen: d a zwischen und zwischen meine Knie. Wenn der Händel zuende ist, bevor ich den Mahler einlege (auch zu merken: „ein” bei CDs, „auf” bei LPs; übrigens hätte ich die Mahler III lieber in Vinyl; so hab ich aber nur Barbirollis VI – groß! – und IX).
16.41 Uhr:
[Mahler III, Barbirolli.]
Alles erledigt, der ganze Schriftkram ist vom Tisch – nur der mit dem Finanzamt nicht, was mir bitter leidtut, weil die Leute da so freundlich sind. Aber ich muß die Fristlängen nutzen, meine Finanzlage läßt etwas anderes nicht zu. Es ist eh damit zu rechnen, daß ein Vollstreckungsbeamter mich besuchen kommen wird, aber natürlich zu pfänden nichts finden kann… wie auch anders? Das wird Kosten verursachen, woraus zu lernen ist, daß Zeit einen auch ökonomischen Wert hat. Mir ist – und m u ß es sein – der innere Wert von Zeit aber teurer als der äußere/ökonomische. Jedenfalls sind dies die Momente, in denen ich rein ehrenhalber gern über feste Einkünfte verfügte. War aber nicht ich es, der schon mit fünfzehn Blochs Prinzip Hoffnung ein, so auch formuliertes, Prinzip Trotz zur Seite stellte? Manchmal denk ich: Ich bin mir erstaunlich treu geblieben über die Jahrzehnte – was ein gutes Gefühl ist.
18.24 Uhr:
Mehr als eine Stunde lang am Cello gewesen. Es ist ein wunderbares Gefühl: ganz ruhig, ganz in sich, auch wenn das noch überhaupt nicht klingt. Ich habe immer, wenn ich das Instrument nehme, das Gefühl, ganz bei mir zu sein; ein Außen spielt dann überhaupt keine Rolle mehr.
Jetzt hinüber zum Terrarium, Briefe einwerfen auf dem Weg, dann >>>> dort hin.