Untriest 45. Am Montag nach der Messe. 16. März 2015. Mit einer bilanzierenden Vorausschau.


Arbeitswohnung, 8.10 Uhr
Daß einen auch der Erfolg erschöpfen kann..! jedenfalls sich ankündigender Erfolg, offene, sehr viele offene Ohren und Herzen und Interessenbekundungen. Was auf dieser Messe geschah, und wie, war für mich völlig neu. Schon, wie >>>> ein ganzer Verlag, Liebste, hinter einem steht – oder vor einem, je nachdem, aus welcher Richtung Du schaust… Blöd ist nur, daß mir offensichtlich meine Sollbruchstelle, die rechte Achillessehne, come simboleggiante!, das viele Herumlaufen in den hartbesohlten italienischen Schuhen verübelt hat, so daß ich nun erst mal wieder vorsichtig sein muß mit meinem Sport… aber es ist eh enorm viel zu tun. Bereits am kommenden Freitag soll das Traumschiff in Satz gehen, muß also das Lektorat abgeschlossen sein, da werden sie, meine Lektorin, und ich quasi durcharbeiten müssen, und außerdem habe ich dringend dringend dringend die Laudatio auf >>>> Christopher Ecker zu schreiben, die ich am Ende der nächsten Woche vortragen soll und will. – Guck, Schöne, alles das liegt zur neuen Durchsicht bereit; ich muß mich erst einmal wieder hineinfinden:


So bleibt ohnedies für Sport nicht viel Zeit, nur daß ich abends, habe ich keinen getrieben, furchtbare Mengen von Schokolade in mich hineinstopfe, nun schon gestern und vorgestern bis in die Nacht, um von den Messenächten zu schweigen, in denen ich eben nicht auf den Parties war, sondern brav ins Hotel tingelte, wo ich jeweils neue Lektoratstranchen durcharbeitete. Also abends bin ich spätestens ab 22/22.30 Uhr jeweils auf See gewesen, ohne aber ein Schwanken, geschweige Rollen des Schiffs zu bemerken. Dabei ging während des Tages einiger Alkohol die Kehle hinunter. Es gab aber auch wirklich hübsche Momente, bei den Horen zum Beispiel, meiner festen Grappastation (hier mit >>>> Marcel Beyer, >>>> Jürgen Krätzer, >>>> Safiye Can):


Was ich jedenfalls in meinem nun über vierzigjährigen Autorenleben noch nie erlebt habe, war, wie bereits auf einer Frühjahrsmesse nahezu alle Weichen für ein erst im Herbst erscheinendes Buch gestellt werden; sogar Lesungen werden bereits ausgehandelt und erste Gespräche für eine Taschenbuchausgabe geführt – etwas, das sehr kleine Verlage gar nicht leisten können. Liegt das Buch dann wirklich vor, wird eigentlich nur noch abgehakt. Allerdings kommt es nun auf das Presseecho an. Dafür wird im Fall des Traumschiffs bereits im April das Leseexemplar verschickt, bzw. eine sogenannte bound galley – das sind als Buch gebundene Fahnen. So lief denn bereits am zweiten Messetag wegen meines Sterbebuchs eine Art Legende um, neben die ich meinerseits eine weitere pflanzte, nämlich für meine grandiose, leise Lektorin; der Keimling muß noch etwas gegossen werden, aber, mein Herz, wenn ich sorgfältig hege, wird er wie guter Zauber wachsen und leuchten. Ich habe es immer geliebt, mit Menschen, an die ich glaube und/oder von deren Fähigkeiten ich überzeugt bin, Erfolge teilen zu können. Der Löwin, übrigens, geht das nicht anders. Ganz alleine auf einer Welle zu schwimmen, ist unbefriedigend und einsam. Dieses Gefühl – es ist geradezu eine Empfindung – macht ausgerechnet mir, dem Außenseiter, wieder einmal deutlich, was für ein Familienmensch ich eigentlich bin, ohne daß ich aber sagen könnte, woher mir das wurde. Von Zuhause, wenn sich das denn so nennen läßt, habe ich‘s gewiß nicht.
Gut, Konsolidierung, Geliebte: die Gleise auswerfen und drauf voranfahren; mich wieder konzentrieren; viel lesen; die alten Entwürfe angucken, etwa die Gedichte; ab April wieder die Triestbriefe – auch für sie habe ich auf der Messe schon etwas Aufmerksamkeit bewirkt; hierfür werde ich aber das weitere, sagen wir, Administrative >>>> meiner Impresaria überlassen. Es war mir nur wichtig, dort, wo ich persönliche Verbindungen habe, sie auch erst einmal persönlich zu informieren und eben nicht „geschäftlich“ vorzugehen.

Dieses Dir als einen kleinen Bericht. Über ihn hinaus ist messehalber wenig zu sagen. Seit einer Stunde zudem bricht die Frühjahrssonne wieder durch. Ich habe so viel zu tun, daß sich das alles an der Mündung drängt, die zu schmal ist, um es gleichzeitig, was es aber will, hinauszulassen. Deshalb verpropft es sich momentan selbst.
Allora! einmal aufgelistet, was als nächstes ansteht:

Chistopher Ecker, Laudatio
Heinrich Schirmbeck, Vortrag zum Werk
Briefe nach Triest, Roman
Die Brüste der Béart, Gedicht-Zyklen
Melusine Walser, Roman
Neue Fröhliche Wissenschaft, Paralipomena
Essays & Reden II
Neapelroman (Titel noch unklar)
Mauritius (Titel noch unklar), sowohl eine Novelle als auch ein Hörstück
Weitere Erzählungen (teils bereits als Entwürfe oder weitgehend ausgeführt vorliegend)
Weitere Gedichte (noch ohne Gesamttitel)

Dazu die Ideen bereits dreier weiterer Hörstücke

(Den Friedrichroman habe ich aufgegeben – wegen Horst Sterns großartigem >>>> „Mann aus Apulien“. Es ist ein bißchen bitter, ein lange gehegtes Lieblingsprojekt einfach so zur Seite zu legen, andererseits aber unnötig, Schatten über ein großes Buch werfen zu wollen, das es bereits gibt, wenn nämlich der Grundansatz nahezu derselbe wäre. Ich bin zu spät, Punkt, und der vor mir abgefahrene Zug läuft elegant über die Gleise. Das kann ich genießen, anstelle mißgünstig zu werden und/oder ignorant zu sein.)

Sei in diesen Tag umarmt, der für Dich hell sein möge!

Dein Alban

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