[Arbeitswohnung, 7.52 Uhr
BWV 565, die berühmte d-moll, für Orgel]
Lebende Dichter:innen, was ich vorhatte, darf ich leider nicht mit aufnehmen. Ich habe aber einen Trick gefunden, sie dennoch „unterzuschummeln“, indem sie die Motti für die vier Kapitel liefern; ob man mir das durchgehen lassen wird, werde ich sehen. Es gibt der Anthologie aber einen auch modernen Reiz. In jedem Fall gewinne ich der Tätigkeit des Herausgebers (der Herausgeberin; das Buch wird unter dem Namen einer meiner mir liebsten Romanheldinnen erscheinen) eine ganz unvermutete Freude ab: gleichsam Texte miteinander sprechen lassen, indem ich über manchmal nicht selten ein Jahrhundert hinweg Ähnlichkeiten zeige, bisweilen Antworten auf Fragen, oder poetische Widerreden.
Am Freitag, spätestens Montag, werde ich den Band hinausschicken können und mich sofort auf die Steuererklärung… nun ja, ‚stürzen‘. Für die bestellten fünfsechs Gedichte aus den >>>> Brüsten der Béart habe ich einen Aufschub bis zum 10. August erwirkt; ich wollte mich in Paris ohnedies auf wieder Lyrik konzentrieren, bevor ich in Italien dann die >>>> Briefe nach Triest neu aufnehmen werde; zumindest deren Rohling will ich dort fertigzubekommen.
Am frühen Nachmittag Treffen, >>>> traumschiffshalber, mit >>>> Dana Buchzik, auf deren >>>> Seiten Mandelbaums ich bei dieser Gelegenheit gern noch einmal hinweisen möchte, auch wenn sie dort seit einem Vierteljahr nichts mehr veröffentlicht hat. Gerade ich weiß ziemlich gut, wie zeitaufwendig die Pflege einer literarischen Netzpräsenz ist; da Mandelbaum das sogenannte Private vermeidet, ist sie, die Pflege, überdies kompliziert, weil eben nicht auch das Tagesgeschehen, oder doch nur indirekt, den Stoff mit an die Hand gibt.
Und klassisch schön das, diesmal nach una ricetta italiana, gestern nachmittag aus dem Ofen genommene pane con lievito madre:
Beim Kneten des Teiglings Gedichte entwerfen, im Kopf. Fällt mir grad ein. Welch eine Utopie des Einverstandenseins dies wäre.
Die Künste. Und der Hände Innigkeit. Andererseits hab ich meinem Sohn gestern die Friseurszene aus >>>> Aragons Le Payson de Paris vorgelesen, seine Levitation des Blonds: Ich habe ein ganzes Jahr lang Farnhaar geknabbert. Ich bin Harzhaar, Topashaar, Hysteriehaar begegnet. Blond wie die Hysterie, blond wie der Himmel, blond wie die Müdigkeit, blond wie der Kuß. (…) Das Blond gleicht dem Gestammel der Wollust, den Freibeutereien der Lippen, dem Erschauern klarer Gewässer. Das Blond entzieht sich dem, der es definieren will, entwischt ihm auf einer Art von Schlangenpfad, auf dem ich Blumen und Muscheln finde. Ein Abglanz von Frau liegt auf den Steinen, die Luft gemahnt sonderbar an Liebkosungen, das Scheitern der Vernunft weht mich an.
Nicht vergessen, solch eine Beischwebung dem d u n k l e n Haar zu schreiben, wunderbar für den Béart-Zyklus. Danke, Louis Aragon. Und überhaupt – – – wohin, ohne Sie, hätte mein Weg, Monsieur, mich geführt?