[Arbeitswohnung, 7.55 Uhr
Prokofjiev, Sechste]
Eine Grenze zuviel überschritten – nach all den anderen Grenzen, über die ich bereits hinwegtrat. Wiederum ist es gut, daß der Redakteur des SWR für >>>> das Arte-Interview zum Daish (im Podcast ab Minute 10:05) darauf hinwies, wieviel von der heutigen poltischen Situation in meinen Romanen „vorwegenommen“ worden sei – was für >>>> die Andersweltbücher >>>> zweifelsfrei >>>> stimmt. Es ist schon bizarr, und zwar auf grausliche Weise, wenn ausgerechnet jetzt, erst jetzt, die Valenz dieser Romane deutlich wird, freilich nur allmählich. Doch immerhin. Auch wenn ich die entsprechenden Themenkomplexe spätestens mit >>>> Traumschiff verlassen habe. Gut, in meiner Lyrik bearbeite ich sie weiter, neben den anderen „Ur“themen Sexualität, Geschlecht, Geburt und Tod: Besessenheiten. Interessant freilich, was aus dem Arte-Interview herausgeschnitten wurde: meine deutliche Einlassung für eine massive militärische Intervention gegen den Daish, und zwar gemeinsam mit den betroffenen islamischen Staaten; gerade wir Deutschen könnten, nach unserer Geschichte, nicht tatenlos zusehen, wie wieder gefoltert, gekreuzigt, gesteinigt, flächendeckend gemordet wird. Ja, es muß in den europäischen Ländern Integrationsarbeit mehrgeleistet werden, und der Schlüssel ist tatsächlich Bildung, aber all dies ist langfristige Arbeit und hilft den jetzt-Gequälten n i c h t. Ich muß an Diana denken, die mir in Wien aus Syrien erzählt hatte; sie hat im Alleingang einen schwer verwundeten Syrer aus dem Land nach Europa geschmuggelt, der jetzt in ärztlicher Obhut ist, und sie machte mir sehr deutlich, über welche Wirtschaftsinteressen der Westen mit den widerlichen Regimes nicht nur verbunden, sondern eng liiert ist. Wir haben hier Verbindungen zu kappen – auch wenn es das Bruttosozialprodukt, kurz: unseren Wohlstand einbrechen läßt. Andernfalls ist jedes Reden von Werten hohles Gerede.
Und die Romane? Ich will die „Briefe nach Triest“ wieder vornehmen – sowie der Béart-Zyklus abgeschlossen sein wird; es ist jetzt auch zu den auslösenden Geschehnissen Abstand genug da, um konstruierend vorzugehen. Gestern dachte ich, das könne doch gar nicht sein, daß ich nicht wieder einen Roman in Arbeit hätte; so ist es ja auch nicht. Vor allem kann ich die Frauen nun „mischen“ und zu einer einzigen, bzw. zu den dreien, synthetisieren, ohne sehr zurecht die Befürchtung haben zu müssen, ich verletzte jemanden. Imgrunde laufen die Béartgedichte und die Triestbriefe miteinander, schauen allein formal verschieden auf dieselben Phänomene unserer Existenz.
„Existenz“ b l e i b t mein literarisches Schlüsselwort. Soziale Verhältnisse treten in meiner Arbeit zurück wie die kulturellen.
Ein Dichter des Fleisches sein.
Notieren:
– Leibliche Atavismen:
Reptilienwirbelsäule, Knochenreste des Schwanzes, Befellungen
– Seelische Atavismen:
Jagdtrieb, Angler (wie sie den Fisch tothauen oder Tintenfische „regelrecht“ umstülpen)
– Gegenwärtigkeit des Alten im Stammhirn
Sehr schönes Gesprächskonzert gestern, Alban Gerhardt und Clemens Goldberg zu Bachs Cellosuiten. Für meinen Sohn, als Cellospieler, wäre es ideal gewesen; leider war er anderweitig verabredet. Ich habe aber mitgeschnitten, schon für meine Besprechung dieses Spätnachmittags, die ich gleich schreiben will, wenn ich mit der Burgkritik fertig bin. Danach locker eine Traumschifflesung in der >>>> BöseBubenBar ausgemacht; einen erstklassigen Gitarristen dort gehört: >>>> Tim McSpillan.