6 thoughts on “PEN-Jahrestagung in Bamberg.

  1. PEN-Notate 1 [23.4. bei den Tulpen]

    Die Veranstaltung für morgen >>> annonciert. Wie ich dort im Kommentar schrieb, hat Feridun Zaimoglu leider absagen müssen; so erklärte es mir Jutta Sauer, die sowohl >>>> die Nußbaumanthologie zusammengestellt hat als auch den Vormittag moderieren wird.

    Teils wirklich bewegend waren gestern die vorgetragenen Nekrologe auf die im vergangenen Jahr gestorbenen Kolleg:inn:en; besonders elegant, zugleich innig, war >>>> Nora Gomringers, die allerdings, abgesehen von ihrer sprachlichen Kompetenz, auch eine bei aller Virtuosität hochsensible Performerin ist. Erschütternd freilich, sogar schockierend, das literarische Niveau einiger der neu hinzugewählten Mitglieder. >>>> Joachim Helfer und ich saßen beisammen und wußten nicht, ob lachen oder uns zerknirschen. Der PEN scheint auf dem Weg zu sein, sich, wie es früher des VS tat, die poetische Kompetenz selbst zu destruieren. Damit verliert er entschieden an Bedeutung. Jedenfalls war der gestrige – öffentliche – Abend von grenzenloser Peinlichkeit, einige wenige Autor:inn:en ausgenommen, Helfer selbstverständlich, >>> Oberländer, Löffler, Strubel, Schulz und wenige andere, denen man aber vielleicht eine klügere Auswahl und insgesamt eine strukturierte Moderation gewünscht hätte. Jedenfalls mag ich manche Namen hier gar nicht erst hinschreiben. Wenn Tannhäuser einen Engel durch den Raum wehen fühlte, so ich ein mürbes, halb zerfallenes Schaudern durch den Saal.
    Später saßen Gogolin, Helfer, Oberländer und ich noch einige Zeit vor dem Veranstaltungsort auf der Gass‘n und spülten, spottend immerhin, all das unbegabte Zeug mit Kellerbier hinunter. Als ich nachts, gar nicht so spät, gegen halb elf, bei der Freundin zurückwar, schlief hier aber alles schon. Also entkorkte ich noch für mich einen Wein und guckte mir eine ganz schöne Kurbjuweitverfilmung an („Schußangst“), bis die Augen nicht mehr mochten. Überdies war die Löwin nicht erreichbar, schrieb nur eine seltsam knappe SMS.
    Es wird Zeit, daß nicht nur junge Autor:inn:en in den PEN zugewählt werden, nach wie vor hat er etwas von einem Altherren(!!!)verein; entsprechen bedürften auch die autoritär vorgeführten Funktionärsstrukturen einiger, und zwar harter, Tritte vors Schienbein. Außerdem sollten endlich mal diejenigen Dichterinnen und Dichter erscheinen, die längst Mitglied s i n d, aber eben dennoch nie kommen – die Hettches und Kraussers etwa, die offenbar – und eben mit Recht – abgeschreckt sind, sich den bisweilen sogar Talentlosigkeiten nicht aussetzen wollen, schon gar nicht der Aussitzerei und den in der Tat bisweilen quälend unnützen Debatten, einer Art Politikschwätzerei, die sich vermittels von Satzungsformalien am Leben hält. Aus sehr ähnlichen Gründen hat sich seinerzeit schon der VS jegliche Bedeutung zerkrümelt, die poetische allem voran.
    Wer hinzugewählt wird, hängt anfangs von zwei Paten ab. Da scheint nun zu gelten und immer gegolten zu haben, daß die eine unbegabte Hand die andre nicht nur wäscht, sondern auch salbt. Danach kommen die Seilschaften und stimmen ab, damit ihre Abstimmungsbasis „stimmt“.
    Kein Grauen, nö, aber grauslich.
    Erfrischend freilich, jedes Mal, der scharfe Kopf Thomas Rothschilds.
    Ich selbst hab mich, glaube ich, mal wieder unbeliegt gemacht; dieser Text hier wird das zementieren. Andererseits made Helfer my day: „Du bist nicht eitel, sondern gut angezogen. Das ist ein Unterschied.“ Deshalb werde ich heute wieder Krawatte tragen, sò. Und erstmal, jetzt, unter die Dusche.

    Hier schläft immer noch alles; auch die Löwin, die mein Facetime eben weckte, bzw. das versuchte, bat um eine halbe morphische Zugabenstunde. Die werd ich nutzen, mich zu wässern. Danach stell ich dieses Ding hier ein – und auf wird‘s gehen zum nächsten Tag. Zuwahlen stehen heute an, also fürs Präsidium. Drauf bin ich nicht im geringsten gespannt. Immerhin ist Josef Haslingers schmähweanerische Eleganz etwas, das dem PEN nun einmal zur Zier gereicht; damit leb ich g e r n e. Außerdem versteht er sein literarisches Handwerk. Es ist halt nur peinlich, wenn man sowas eigens betonen muß.

    P.S.: Wichtig aber ist und bleibt, egal, was für Nasen den PEN durchtüpfeln und wie sie sich auch immer blähen oder beröten, seine writer-in-prison-Arbeit, national und international. Imgrunde bin ich nur ihretwegen in diesem Verein noch geblieben, der mir doch seinerzeit beim >>>> Meeereprozeß die Unterstützung versagte. Das allerdings habe ich nie vergessen; nur trage ich es ihm unterdessen nicht mehr nach, hab meinen Frieden mit dieser schäbigen Kleinheit gemacht, die seinerzeit daran mitgewirkt hat, dieses Buch zu verbieten:


    (Schutzumschlag der
    verbotenen Fassung)

    ***
  2. PEN-Notate (2) [24.4. bei den Tulpen
    8.43 Uhr]

    Nein, freundlich war es von mir nicht, daß ich während einer Diskussion auf der Jahrstagung, als es um die dringend nötige Verjüngung der PEN-Mitgliedschaft ging, davon sprach, das Niveau des immerhin doch öffentlichen Vorabends sei „unterirdisch“ gewesen, ja weniger noch „unter aller Sau“. Entsprechend kamen die Proteste. Es sei nicht „fein“ von mir gewesen, das stimmt; es sei unkollegial, was n i c h t stimmt (denn dazu braucht es Kollegen, nämlich eben im Niveau). Während ich später in der Auszählgruppe rechnete, die die Zuwahlbögen auswertete, kam es sogar zu einer Art Resolution, die allerdings mit großer Heiterkeit aufgenommen worden sei: die Versammlung möge beschließen, daß nun auch ich unter dem Drohbeil eines Gongs drei Minuten Text vorzutragen hätte. Nämlch hatte ich zu allem Graus moniert, freilich in privatem Rahmen, wenn drei Minuten vorgegeben seien, sei‘s wohl ein leichtes, sich daran auch zu halten. Es gab aber offenbar Zweifler. Obendrein trug ich eine Krawatte. Also sollte ich mich nacki(s)ch machen und nun meinerseits blamieren. Wozu ich ja, vor allem erstres, sofort bereit gewesen wäre. Allein, die Antiherbstiade verlief als eine kaum wirklich erwachende Schildbürgerei wie das Schießen auf Schilder in Hornberg. Während dennoch – nach Hörsensagen, schließlich war ich als Zeuge verhindert – ein bißchen herumgeballert wurde, ging in dem damit notwendigerweise verbundenen Lärm die eigentliche Bosheit des Tages unter, die nicht ich, sondern der scharfzüngige, leidenschaftliche und deshalb immer ziemlich lodernde Thomas Rothschild in die, sagen wir, Gemeinde hatte gespritzt, was also die nötige Verjüngung des deutschen PENs angehe (ich meinerseits hatte von Bewässerung gesprochen; entsprechend bedauerte ich im fast selben Atemzug, daß Thomas Hettche kein Laurence of Arabia sei): Wir sollten doch mal ehrlich sein:: In den kommenden Jahren kämen die meisten Anwesenden doch mehr und mehr nur noch in den Nekrologen vor, mit deren Vortrag jede Jahresversammlung traditions-, berichtiger- wie auch gütigerweise beginne.

    Außerdem kam ich zum Clubabend zu spät, weil ich zuvor ins Konzert ging. Nora Gomringer, die nun göttinseidank Leiterin der Villa Concordia, hatte erzählt, es gebe am Abend ein Konzert mit Musiken >>>> Iris ter Schiphorsts, auf dem zudem Salomé Kammer singe, die vor Jahren auch ein Stück Caspar Johannes Walters zur Uraufführung gebracht hatte, für das ich damals das Libretto schrieb. Eine Produktion des Hessischen Rundfunks im Sendesaal des Senders. So wollte ich nun auf keinen fehlen.

    Noch aber saßen Monika Rinck, Joachim Helfer und ich plaudernd in ihrem, Gomringers, wirklich großzügig bemessenen Bureau, und ich staunte über einen Bildband, den sie zusammen mit den Bamberger Sinfonikern kreiiert, war wirklich glücklich alleine beim Blättern. Sie ihrerseits freute sich deutlich über mein Glück. Abends war ich aber dann doch das einzige PEN-Mitglied, das sich zur Neuen Musik begeben – für mich bekanntlich eine Heimat. Und wurde belohnt – besonders von dem grandiosen Mittelstück dislokationen 2, das vor sechs Jahren quasi als Kammerfassung einer sinfonischen Komposition entstanden ist.
    C. begleitete mich, gemeinsam erschienen wir dann auf dem Clubabend. Es wurden zwei gute Texte vorgetragen, ein Genretext, der seine Kriterien so launisch erfüllte wie dialektal gefärbt, ohne weiteres zu akzeptieren, wenn auch nicht als Kunst, und einer, der in die Kategorie der unbedingten (ich bin geneigt „bedingungslosen“ zu schreiben) Unterirdischkeit des Vorabends gehörte. Gut, der Clubabend war nicht öffentlich. Dennoch aber: Ich meine, das sind P E N-Mitglieder und -Innen..! Bin‘s denn nicht ich, dem ständig Selbstüberschätzung vorgeworfen wird, zumindest wurde??
    Helfer versank im Stuhl, die autorinnenerwähnte Prostata, obwohl sicher nicht die seine, besiegte ihn dann völlig, während Rinck, als die höfliche Frau, die sie ist, mit ihrem Lachen sumorang: dabei war die Vortragende eine schmale Person und hatte offenbar schlechte Erfahrungen mit Männern. Normalerweise reicht sowas als Solidarisierungsanlaß ganz gut hin, verfing aber nun überhaupt nicht.
    Ein unbedingter Höhepunkt des Clubabends ist allerdings das Eis am >>>> kalten Buffet gewesen. Ich saß direkt hinter der Tür vor der Schlange und sah ihr lange sinnend zu:

    Nachher also, heute vormittag um elf, >>>> Alissa Walsers, meine und Feridun Zaimoglus Lesung im Foyer der Kongreß- und Konzerthalle; Haslinger, il nostro presidente, hat gestern nacht noch eigens die „Neuen“ aufgefordert hinzugehen, weil da ja nun ich läse und mich nun meinerseits der Kritik aussetzen müsse. Dabei hatte er auf eine so unverschämte Weise gegrinst, auf eine Weaner halt, daß mir um mein Balina Heazl goanz woarm gewoadan üüs. Wär‘s allerdings zu der Dreiminutenlesung gekommen, ich hätt die Confessio aus den Brüsten der Béart vorgetragen; nun ist der Anlaß leider ein ernster.
    Um halber elfe geh ich los. Die Veranstaltung wird bis gegen 12.30/13 Uhr dauern, zurück nach Berlin geht‘s um halb vier.

    Eine Bemerkung Thomas Rothschilds noch, die sich mir ziemlich eingebrannt: Er komme sich schon komisch vor in einem Land, in dem zwar nicht die Synagogen mehr, aber Moscheen brennen sollten. Überhaupt atme ich jedesmal auf, wenn er ans Mikrophon tritt, schon weil er aus dem Stegreif perfekt zu formulieren weiß – selbstverständlich nicht ohne die deutliche Lust an einer Rhetorik, die suggestiv vorwegnimmt und dadurch bewirkt, was sie ausspricht.

    1. Nur eine Frage Es geht nicht explizit um Sie, sondern um die Ansicht des Herrn Rotschild: In welchem Land „sollten“ denn Moscheen brennen?

    2. @ANH OK. Es las sich in Ihrem Text so, als meinte Herr Rothschild und gegebenenfalls auch Sie, dass es einen wie stark auch immer vorhandenen Konsens in Deutschland gäbe, dass Moscheen brennen sollten. Dass es radikale Gruppen gibt, die das gerne so sähen, darüber besteht natürlich kein Zweifel.

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