Meer. Kleiner Schreibtisch vor bodentiefem, offenweitem Fenster.
Eine Grille beharrt drauf, Zikade zu sein]
Liebe Freundin,
nun werden Sie erst recht meinen, ich erfände nur alles, Contessa, Auftrag, Adjutanz – und meine Leser:innen werden es m i t Ihnen meinen. Aber sie hat mir zu fotografieren strikt untersagt, untersagen lassen, schon gleich auf der Yacht; sie selbst war auf den ****den geblieben, ließ mich nach meiner Ankunft auch lange warten. „Geschäfte, mein Lieber!“ rief sie aus, als sie, von einem wehenden Seidenschal verfolgt, der wie ein grüner Umhang aussah, in den Salon gestürmt kam; wie dünn er war, kaum eine Haut, sah ich erst, als sie stand. Was sie nie lange vermag. Selbst im Sitzen bewegt sie permanent die Füße – übrigens sehr feine, gliedrige; an Elfen würde man denken, wenn es sie denn gäbe. Außerdem sollen die Füße haben wie Hobbits, also in Wirklichkeit. „Geschäfte halten einen immer nur auf. Aber sie gehen vor, selbstverständlich.“ Sie trug das Haar heute hoch. „Und unser Geschäft, nun, ist was andres.“
Wie frau in solchen Schuhen derart eilen konnte!
Sie bemerkte meinen Blick. „Ich bekomme niemals, merk dir das, Blasen an den Füßen, keine Druckstellen, keine Striemen – niemals!“
„Bitte?“ Mir war der Zusammenhang völlig unklar, sei’s der mit ihren Geschäften, sei es einer mit mir.
„Merke es dir einfach. Und zeig mir, was du unterdessen getan hast.“
Ich klappte mein neues Nettbuckchen auf, meinen Nettbuck (was eine ziemlich übermütige Heinzelmännchenart ist), mein Nettbückerl also, und öffnete die entsprechenden Dateien. Vorm Saalportal, von ihnen hinter der Contessa geschlossen, standen rechts und links zwei Schwarzeneggers, rechts ein Lundgren, links ein früher Jean Reno. Selbstverständlich gab die Contessa ihm seine Anweisungen auf Französisch, derweil auf – kann das sein? – Schwedisch dem rechten. Lundgrenegger, wie ich ihn bereits im >>>> Wolpertinger nannte, ist US-Amerikaner, oder? Jedenfalls benimmt er sich so.
Ich nahm mir vor, ihn zu fragen, traute mich schließlich aber nicht. Ich meine, diese Arme dienen auch als Maschinenpistolen, „dienen“ ist das ganz richtige Wort. Andererseits tat es mir gut, meine Contessa derart beschützt zu wissen. Ich bin ihr unterdessen ziemlich nahe. Ein selbstverständlich einseitiges Gefühl… nein, Empfinden, es ist ein Empfinden. Sie selbst schiebt stets ihren Spott zwischen uns. Allein schon das mit der Milch… – Hab’s Ihnen nicht erzählt?
Also sie bekam mit, daß ich auf längeren Bahnreisen (Anlaß war meine erste >>>> Düsseldorffahrt, die selbstverständlich ganz woanders hingegangen sein kann, zum Beispiel nach Stuttgart) immer einen Liter Milch nicht nur bei mir habe, sondern auch trinke; ebenso mittags, sofern ich da was esse. „Also Männer, die Milch trinken“, rief sie aus, „haben jede Sexyness verloren!“ Und fügte hinzu: „Milch ist für Kälbchen.“ Seither zieht sie mich quasi jeden Tag damit auf. Aber gestern erreichte es einen eigentlich gar nicht erreichbaren Gipfel, als sie den Reno bat, mir ein Glas Milch zu bringen. „S’il vous plaît, Jean, apporte nous invité un verre du lait.“ – Apporte! Und dann noch „nous invité“! Als wäre ich auch sein Gast. – Später am Tag bemerkte die Contessa durchaus nicht unanzüglich, die beiden Gorillas stünden ihr ganz zur Verfügung, was vielleicht den Raubtierkäfig erklärt, von dem mir vorhin träumte. Träumte, ja, denn diese Insel ist mitnichten der Drehort des bekannten 007-Streifens gewesen, darin des nachts ein Tiger durch das Anwesen streift, um Eindringlinge abzuschrecken. Außerdem hat der 25-Meter-Pool auch keinen Zufluß, um Haie einzulassen. Es ist ein ganz normales Becken, wenn ich mal davon absehe, wie sehr es mich ans Thälmannbad erinnert.
Neinnein, die Insel ist karg und felsig, jedenfalls außerhalb des contessa’schen Geländes. Es wächst hier nicht mal Macchia; nur innerhalb der zweimannhohen und auch sonst ziemlich großzügigen Ummauerung dschungelt >>>> der duftende Garten des Scheiches Nevzaui.
Reno brachte mir die Milch auf einem mit lenorweißer Stoffserviette gedeckten Tablettchen, das in seiner Pranke nach einem Asseçoir für Puppenstuben aussah.
Jedenfalls, weil ich keine Fotos schießen darf und schon gar nicht hier welche posten, glauben Sie mir dies alles sowieso nicht. Auf Sardinien freilich dürfe ich wieder. Es gehe allein um dieses Eiland und seine Lage. „Aye aye“, sagte ich und, nun meinerseits spöttisch, „Capitesse Nemo“. Das gefiel ihr. „Weshalb schmückst du deinen Desktop nicht mit meinen Füßen? Ich maile dir nachher ein Bild.“ Wobei sie mich aber gar nicht ansah, das tut sie eh selten. Vielmehr tippte sie, wie überhaupt ständig, auf ihrem Smartphone herum. „Sei nicht so empfindlich! Die Geschäfte müssen, ich sagte es doch, laufen!“ Was ihre in der Tat schönen Füße, ich sagte es doch, ebenfalls taten, obwohl wir einander gegenüber auf den schmalen Sesseln vor dem Kaminglas saßen. Und Bing – da kam schon das Bild. Vermeldete mein 4S’chen.
Nein, bei den Temperaturen selbstverständlich kein Feuer in der Feuerstelle, auch dann nicht, wenn ich zu Übertreibungen neige. Zwischen uns aber lag der Tiger von nachts, nur aber dessen Fell, das rechtzeitig gegerbt zu haben den Lundgren schlaflos gehalten haben wird; indes hatte er, wahrscheinlich, sowieso Wachdienst. Da ist man für jede Ablenkung froh.
Die hohen Sandaletten waren von Jimmy Choo: das wenige Leder ein quasi gehämmertes Gold. Für Damenschuhe gilt dasselbe wie für Bikinis. Je weniger Stoff, desto teurer. In diesen beiden Fällen aber zurecht. – Sie hatte in der Tat, meine Contessa, während wir sprachen und ihre Füße sich im Dauerlauf befanden, sie, die Füße, schnell geknipst, ich nehme mal an Verschlußzeit 1/2000stel, sonst wäre das Bild ganz unscharf geworden, und mir den Schnappschuß geschickt. Er war in beiderlei Sinn scharf.
„Scharf“, sagte ich.
„Na siehst du. Und aufs Nettbückerl bitte.“ Das letzte Wort nicht bittend, sondern als Auftrag, der, wie alles von ihr, statim ausgeführt werden muß: Die stehenden Füße haben immer die andren. Zu haben. So issie. Ich sagte ja schon, das kommt mir entgegen.
Jetzt wirklich Details zu meiner Arbeit. Sie hatte wieder hunderte Einfälle, ich tippte notierend. Dann gingen wir im Wintergarten essen, der -park ist. Ein eingeglaster Sommerpark mit zwei kreischenden Papageien. Ich sah auch Baumschlangen, unter anderem eine grüne Mamba, aber die in einem viel zu engen Terrarium, das direkt vor dem Tisch stand, auf dem serviert wurde. „Die hungere ich aus“, erklärte die Contessa. „Bis sie hin ist“, fügte sie hinzu. In ihren hellen Augen blitzten plötzlich Verwundung und Haß. Zu der Schlange: „Ja guck nur! Guck’s dir nur an, wie wir essen!“ Da ich die Hintergründe kenne, bemerkte ich lediglich, daß eine Schlange ziemlich lange ohne Nahrung auskommen kann. „Um so länger wird mein Vergnügen währen.“ Die Replik ohne jede Zeit, sich etwas auszudenken: ein aus dem tiefsten Inneren herausschießender Impuls.
Sie räusperte sich. „Verzeih. Aber du weißt doch.“
Ja, ich wußte.
Eine der Papageien schrie, lange und gellend. Schrie nochmal. Der andere schwieg. Brüder der Aras des prächtigen Blumencafés Schönhauser Allee. लक्ष्मी sitzt da oft mit den Kindern. Wahrscheinlich habe ich daher die Idee. Denn wenn ich jetzt nachdenke, sind es dieselben Papageien, nicht nur deren Brüder… verzeihen nun Sie mir, liebste Freundin: denn in der Tat, Schwestern könnten es auch sein. Ich bin der Correctnesse glühendster Anhänger, bekanntlich, sogar für sie berühmt. Das eben ist der wahre Grund, mir etwas Übles nachzusagen, >>>> zum Beispiel Antisemitismus. Hat mich s c h o n geärgert gestern, zumal ich nicht richtig reagieren konnte, weil auf dieser Insel das Netz wenn überhaupt erreichbar, dann schrecklich instabil ist.
Es gibt hier weder einen Telefonanschluß, also auch kein Fax, noch Lan oder gar WLan. Die Contessa sei allein über die Geheimnummern ihrer verschiedenen Smartphones erreichbar; so auch der Meier des Hauses, der es mir erklärte. Ich meine den maior domus Sven (alle duzen sich hier, auch die Contessa, nicht nur mich), so auch der Hauswart, der nur Spanisch spricht, so auch der Küchenchef. Die Lundgreneggers sowieso.
Geduzt zu werden, ist für mich fast noch ungewohnter als selber zu duzen.
Unterdessen habe ich mich damit abgefunden, kann sogar einen Reiz daraus ziehen.
Wer mich für antisemitisch hält, hat schlichtweg einen Knall, einen aber infamen. Dabei hatte ich in dem Journal, >>>> unter dem die Angelegenheit losging, sogar noch Heine verlinkt, ihn vorher zitiert. Am liebsten hätte ich mir jetzt bei der Contessa Hilfe geholt. Ich hatte das Zeug auf der Yacht während der Überfahrt gelesen, weil ich das Satellitennetz der Brücke nutzen durfte. Kam also imgrunde voller Brass an, wollte ihn der Contessa aber nicht gleich und am besten gar nicht zeigen. Es wäre unvernünftig gewesen, wäre noch jetzt unvernünftig.
Außerdem dachte ich, es ist ihr eh egal, ob mir was Böses nachgesagt wird (manche sagen’s sogar voraus; das ist n o c h schlimmer). Freund Broßmann, der ebenfalls hart kommentiert hatte, rief ich an, bat drum, es wieder herauszunehmen und erst nach meiner Rückkehr wieder einzustellen; es brächte mich in des Teufels Suppentopf, in dem sowieso immer alles zusammengerührt wird. Der Bursche hat ja keinen Geschmack, schon weil seine Zunge verbrannt ist, wenn er dauernd an den im Höllenfeuer brennenden Sündern leckt, die er in dem Suppentopf auch noch siedet. Dazu Kröten, Viperngift zum Abschmecken, die Oberhäute von Fliegenpilzen, verschiedene Arten Exkremente und Werberknechtbeine, nein, „Weberknecht“, ohne erstes „r“.
Dann hatte ich frei und konnte die Insel erkunden, vor allem aber: schwimmen. Dachte ich. Aber ich fand keine Uferstelle, von der sich ins Meer steigen, vor allem aber wieder heraussteigen ließ, also ohne heftige Gefährdung. Alles ist, hatte ich den Eindruck, nur Fels, gegen den die ziemlich hohe Brandung knallte, gischtete, sprühte. Da hatte ich einfach Angst und blieb deshalb trocken, hockte mich und spähte nach >>>> Amphitrite. – Dochdoch, sagte spätabends die Contessa, es gebe einen Einstieg, aber halt versteckt. „Ich zeig ihn dir morgen früh.“ „Schwimmst du dann mit?“ „Aber auf gar keinen Fall! Meine Haut verträgt das Salz nicht. Doch gerne seh ich dir zu.“ Und sie zwinkerte. Wobei ihre Füße immer weiterliefen, weiter und weiter, ich hörte dauernd die Absätze klacken – wie Nägel fast, wenn man sie ins Holz schlägt – , und simultan ihre Daumen über das digitale Tastaturchen ihres Smartphones jagten, das dauernd eine Antwort gab, auf die dann erneut zu antworten war. „Gut“, sagte sie, „soweit die Börse. Ah ja, du warst doch auch mal da. Und? Hast du gespielt oder investiert?“ „Broker sind Croupiers“, gab ich zur Antwort. „Die spielen nicht, sie setzen nur für andre.“ „Das tu ich lieber selbst. – Aber wolltest du mir nicht eine deiner >>>> Elegien vorlesen?“ „Gerne. Aber erst nachher. Erst später beim Wein. Jetzt würde ich lieber noch mal die Charaktere durchgehen. Uns fehlen auch noch ein paar Namen.“
Was ich vergaß. Athen.
Manches passiert, das man nicht für möglich hält.
Also ich war noch auf dem Weg zum Gepäckband, hatte mich ein wenig verirrt, weil auf der Toilette gewesen, die ein wenig abseits lag, jedenfalls die, die ich fand… – und plötzlich sagt jemand hinter mir: „Alban! Was machst denn d u hier?!“ Ich war nicht minder erstaunt. Barbara, tatsächlich Barbara Z., die ehemalige langjährige Gefährtin des Profis. Wir nahmen uns in den Arm. „Und du?“ „Ich fahr nach Kreta weiter, hab dort ein Ferienhäuschen.“ „Kreta? Seit wann?“
Undsoweiter.
Doch ich hatte es ja eilig, wurde erwartet.
„Erwartet? Von wem?“
„Kann ich nicht drüber sprechen, nicht auf die schnelle. Lies mein Arbeitsjournal.“ Ich deutete eine Kußhand an und enteilte.
Sonne. Licht, Freundin, Licht! Das Meer ist heute ein von Blau bedampfes Silber. – Nein, nicht mal davon ein Bild. Haben Sie Geduld bis Sardinien.
In Zuneigung
Ihr
ANH
Nun, wenn’s wahr ist, ist das ziemlich lächerlich und sollte eigentlich unter Ihrem Niveau sein.
Ich hatte beim Lesen das Gefühl, es handelt sich hier um „Schießbudenfiguren“ .
RTL Boulevard Fernsehen.
Wenn’s nicht wahr ist, ist es lustig geschrieben und gefällt mir irgendwie.
Als Parodie.
Allerdings, wenn Sie bei dieser ganzen Posse richtig dicke Kohle machen, gönne ich es Ihnen von Herzen.