[La murgia, 7.08 Uhr
Gar nicht so fernes Mövenlärmen,
Polizeisirenen bisweilen hindurch]
Gar nicht so fernes Mövenlärmen,
Polizeisirenen bisweilen hindurch]
Seit sechs auf. Die Contessa schläft noch. Ich höre sie sich wenden, hin und wieder, und hin und wieder ein leises warmes Seufzen, das aus dem Traum rührt. Daß ich so früh Licht gemacht habe, schon des Caffès wegen, nahm ihr Schlaf heut willig hin.
Es ist auch Abreisetag.
Wir haben weitere Orte unserer Handlung gefunden, einen entscheidenden sogar – wie mir aber erst in den Sinn kam, als wir zurück auf dem Boot waren, einem motorisierten Ausflugskahn. Anders aber als für den Besuch der Grotta Azzura downrock Capri, wird man nicht ausgebootet (das alte Wort hier in seiner nicht übertragenen Bedeutung, sondern konkret) und dann mit Ruderbooten eingeführt (ein sexuelles Bild, bewußt, für die Penetration der Felswand in die Gebärmutter jener Farbe, die der Höhle ihren Namen gibt); vielmehr muß man außen auf den Fels und wird dann über Stufen hineingeführt. Andere, außen bis hoch in, ja quasi um das Massiv geschlagene Stufen führen zu dem Leuchtturm hinauf.
Jedenfalls schipperten wir bei extrem ruhiger See („gespannte Seide“, sagte ich, und „gespannte Rohseide“ korrigierte mich zurecht die Contessa) über den Golfo zurück, als mir der Einfall für eine der ganz großen Szenen des Romans kam. Ich sah jedes Bild vor mir, bei jetzt sonnenstrahlendstem Tag ein ausgefackeltes, vor Nacht geradezu flammendes Szenario, über das ich hier selbstverständlich nicht schreibe. Aber bei Tisch nachher – Fregola al nero di seppia, voller Krebs- und Krabbenteilchen, dazu ein Cala Reale –, als wir an der Bastion immer noch zu dem Liebeshaus hinübersehen konnten, erzählte ich selbstverständlich der Contessa davon. Sie muß bei sowas ja zustimmen, es muß ihr einleuchtend sein. Und am liebsten habe ich, wenn es sie begeistert – was ja „mit Geist füllt“ bedeutet, einem neuen, weiteren Geist. Oft genug geschieht dies auch, sehr spontan, ihrer inneren Schnelligkeit entsprechend; oft aber wirft sie später wieder um oder modifiziert meine Einfälle, will ihr meine Hosen aus- und ihr eigenes Kleid überziehen; es soll ja ihr Roman sein. Sie will sich mit Recht identifizieren, und es ist eine meiner poetischen Aufgaben, es ihr so zu ermöglichen, daß zugleich keine tatsächliche Erkennbarkeit gefürchtet werden muß.
Mit dem beglückenden Gefühl, auf dieser wenn auch nur kurzen Reise tatsächlich alles zusammengefunden zu haben, was wir hier brauchen, aßen wir vorzüglichst zu abend, und sie, lustig, doch auch berührend anzuschauen, nahm immer wieder von den Muscheln, die aber „Natur“ waren, ohne fremde Sugogeschmäcker. Sie mochte sie nicht, die Mollusken, so, und mochte sie d o c h; solch eine gute Lockung war drin: es ließe sich von einem Vertrautmachen sprechen. Mir selbst geht es genauso mit Leber. Die mag ich nicht, finde ich sogar abscheulich, aber in Spuren Gerichten beigetan, werd ich nach ihr süchtig. Mag sein, daß dies ein Schlüssel für sehr vieles ist, das wir erfülltes Leben nennen. (: Auch das für den Roman notieren.)
Es ist auch Abreisetag.
Wir haben weitere Orte unserer Handlung gefunden, einen entscheidenden sogar – wie mir aber erst in den Sinn kam, als wir zurück auf dem Boot waren, einem motorisierten Ausflugskahn. Anders aber als für den Besuch der Grotta Azzura downrock Capri, wird man nicht ausgebootet (das alte Wort hier in seiner nicht übertragenen Bedeutung, sondern konkret) und dann mit Ruderbooten eingeführt (ein sexuelles Bild, bewußt, für die Penetration der Felswand in die Gebärmutter jener Farbe, die der Höhle ihren Namen gibt); vielmehr muß man außen auf den Fels und wird dann über Stufen hineingeführt. Andere, außen bis hoch in, ja quasi um das Massiv geschlagene Stufen führen zu dem Leuchtturm hinauf.
Jedenfalls schipperten wir bei extrem ruhiger See („gespannte Seide“, sagte ich, und „gespannte Rohseide“ korrigierte mich zurecht die Contessa) über den Golfo zurück, als mir der Einfall für eine der ganz großen Szenen des Romans kam. Ich sah jedes Bild vor mir, bei jetzt sonnenstrahlendstem Tag ein ausgefackeltes, vor Nacht geradezu flammendes Szenario, über das ich hier selbstverständlich nicht schreibe. Aber bei Tisch nachher – Fregola al nero di seppia, voller Krebs- und Krabbenteilchen, dazu ein Cala Reale –, als wir an der Bastion immer noch zu dem Liebeshaus hinübersehen konnten, erzählte ich selbstverständlich der Contessa davon. Sie muß bei sowas ja zustimmen, es muß ihr einleuchtend sein. Und am liebsten habe ich, wenn es sie begeistert – was ja „mit Geist füllt“ bedeutet, einem neuen, weiteren Geist. Oft genug geschieht dies auch, sehr spontan, ihrer inneren Schnelligkeit entsprechend; oft aber wirft sie später wieder um oder modifiziert meine Einfälle, will ihr meine Hosen aus- und ihr eigenes Kleid überziehen; es soll ja ihr Roman sein. Sie will sich mit Recht identifizieren, und es ist eine meiner poetischen Aufgaben, es ihr so zu ermöglichen, daß zugleich keine tatsächliche Erkennbarkeit gefürchtet werden muß.
Mit dem beglückenden Gefühl, auf dieser wenn auch nur kurzen Reise tatsächlich alles zusammengefunden zu haben, was wir hier brauchen, aßen wir vorzüglichst zu abend, und sie, lustig, doch auch berührend anzuschauen, nahm immer wieder von den Muscheln, die aber „Natur“ waren, ohne fremde Sugogeschmäcker. Sie mochte sie nicht, die Mollusken, so, und mochte sie d o c h; solch eine gute Lockung war drin: es ließe sich von einem Vertrautmachen sprechen. Mir selbst geht es genauso mit Leber. Die mag ich nicht, finde ich sogar abscheulich, aber in Spuren Gerichten beigetan, werd ich nach ihr süchtig. Mag sein, daß dies ein Schlüssel für sehr vieles ist, das wir erfülltes Leben nennen. (: Auch das für den Roman notieren.)
Noch einmal allerdings werde ich im November herkommen, hab auch eine Idee, wohin, will noch ein paar Orte, die uns hier aufgefallen sind, sagen wir mal inspizieren. Doch das hat nun Zeit.
Jetzt aber dieses einstellen, Freundin, dann wird gepackt und losgefahren. Morgen schreibe ich Ihnen wieder aus Berlin. Haben Sie einen guten Tag,
Ihr ANH