[ICE 76, Frankfurtmain-Hannover
12.38 Uhr]
In solchen Situaionen ist es am besten, wenn man sich entspannt, auch wenn sich besonders Unruhige unter Überkletterung mancher Koffer und Betretung fremder Füße nach vorne drängen, sprich vordrängeln wollen, was ihnen dergestalt gelingt, daß man, wo eben noch ein wenig Luft war, sie nun rationieren muß. Immerhin kann so keiner mehr umfallen.
Jetzt waren die Japanerinnen drinnen, aber zwei ihrer voluminösen… ja, „Koffer“ zu ihnen zu sagen, wäre euphemistisch, – ihre Rollcontainer kamen einfach nicht nach. Schon aber diese genügten, den Gang unpassierbar zu machen; ihre Besitzerinnen selbst wären gar nicht so schlimm gewesen. Imgrunde stimmt auch „Container“ nicht, sondern es waren (und sind’s noch) Garagen, in denen die fernöstlichen Gäste auch sicher übernachten konnten, falls Die Deutsche Bahn es mit den Verspätungen mal übertrieb.
Womit zur Zeit – also mindestens so lange, wie der Berliner Neuflughafen in Bau – gerechnet werden muß. Japaner sind präzise und bereiten sich darum vor.
Als ich endlich – nach mehreren weiteren Zwischenstops, solchen mit Rastplatzcharakter – den folgenden Waggon erreichte, wurde – und bis ins Bordbistro – jegliche Rede von einem deutschen Geburtenrückgang der allerinfamsten Lügen gestraft; kurz hatte ich sogar den Eindruck, einige werdende Mütter hätten die Deutsche Bahn wegen Überbelegung des klassischen Kreißsaals für eine mögliche Geburtspatin erwogen, weil vielleicht auch sie, diese Mütter ante portas, japanisch zu denken begannen: Wer ein Leben mit auf die Welt bringen hilft (die logische Weiterführung des Inselgedankens, wer jemanden am Sterben behindre), übernimmt die weitre Verantwortung für dieses just gewordene (bzw. nicht beendete) Leben. – Kein wirklich schlechter Gedanke zur Frühalimentation unsrer kommenden Generationen; bekanntlich steigt (aus Sparsamkeitsgründen) die Rentablität eines Beförderungsunternehmens umgekehrt proportional zur gelungenen Einhaltung der Fahrplanzeiten (auch dieser Zug hat wieder Verspätung, gibt der Vorsorge diese Mütter also ganz recht). (Hoffentlich bekomm ich den Anschlußzug in Hannover, aber ich bin ja geburtsfest und werde mir die Zeit ggbf. zu vertreiben wissen; hab schon nach kochendem, wenigstens heißem Wasser und sauberen Tüchern geguckt.)
Jetzt sitze ich immerhin in dem Bistrot und kann auch tippen. Göttinseidank habe ich mein Nettbückerl dabei, das mich daran erinnert, daß heute meine Contessa sich noch mit keinem Wort gemeldet hat; ohne sie gäb’s dieses Bückerl doch gar nicht. Dafür eben – wir jagen durch einen langen Tunnel soeben Kassel zu – ein Anruf aus Sardinien; man möchte gerne meine angefragte Buchung zu Nägeln machen, die auch eingeschlagen sind und nicht nur, wie jetzt noch, im Hause so lose herumliegen, daß man drauf ins Rutschen kommt.
Dafür habe ich selbstverständlich Verständnis, doch wenig Muße, wenn ich standby zur nächsten Geburtshilfe hart auf dem Sprung bin. Also vertröstete ich die Signora auf den späten Nachmittag, bzw. morgen früh; ich riefe, sowie es gehe, zurück; es stünden derzeit-im-Moment jüngste Menschenleben auf dem Spiel. Für sowas haben Italiener Verständnis. Doch in der Tat: Morgen muß ich mich um die übernächste Reise kümmern; bislang steht nur der Hinflug. Am Montag geht es ja schon nach Sizilien.
Gestern statt dessen ging es nach Lorsch. Ich hatte >>>> Phyllis Kiehl versprochen, ihr bei den Umräumarbeiten für das Landatelier zu helfen. Tatsächlich hätten beide Damen, die alte Schamanin Ladybird wie ihre jüngere Tochter, schleppen und wuchten wirklich nicht dürfen. Außerdem waren schnelle Entscheidungen zu treffen, deren Umsetzung mir weniger schwerfiel als ihnen, weil ich an die in Rede und einen leisen Protest, der unbedingt bewahren wollte, stehenden Dinge nicht sentimental gebunden war, um von ihrer Ästhetik einmal besser zu schweigen.
Sowas schlaucht. Es schlaucht sogar so sehr, daß ich auf der Rückfahrt halb schon einschlief – zumal >>>> der Abend zuvor durchaus nicht früh geendet hatte. Es gibt zu ihm übrigens ein Buch, das ich gerne empfehle. Romina Nikolič und Jan Volker Röhnert haben es herausgegeben, und die >>>> edition Faust hat es sorgsamst betreut:
Nun indes habe ich den Auftragstext noch fertigzustellen, den ich gestern morgen zwar begonnen habe, dann aber liegenlassen mußte. Doch wird in einer Viertelstunde erst einmal umgestiegen werden.
15.01 Uhr]
Das hier übrigens >>>> ist zwar Spam, aber doch – nämlich gerade unter dem entsprechenden Beitrag – ein recht schöner, indem er auf die (russische – russische? – – Ecco!) Site von Oriflame führt. Für so etwas geht Die Sinnliche Dschungel auch gern mal als Sandwich spazieren.
Lob Ist doch wieder großartig, dieser Reisebericht. Humorvoll und geistreich. Depression good bye. Der Contessa-Auftrag scheint genau das zu sein, was Sie in jenem Moment brauchten. Weiter so. Und wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein ……. Möge es nie mehr erlöschen.