III, 293 – Villa Torlonia

Es mag ja ein ideales Rom geben, fatto di pergole e alberi pizzuti (der Ausdruck “andare agli alberi pizzuti”, also zu den spitzen Bäumen gehen, meint: auf dem von Zypressen bestandenen Friedhof enden), wo im Blau die noch höheren Pinien ihre Schirme spannen. Irgendwo müßte es einen Text geben, in dem ganz sicher von diesen Pinien die Rede ist, die in der >>>> Villa Torlonia (gegenüber liegt Villa Paganini, man erging sich dort nach dem Hochzeitsschmaus) stehen, wo ich am Rande eines Turnierplatzes saß bei einer “Roman quaero”-Flucht aus dem Hause, das der “Fort von Rom”-Flucht (auch wenn das eher Südtirolgeschichten sind) gedient hatte, aber der Strom der Dinge, das Stromern (Stroma, das Hyphengeflecht bei Schlauchpilzen, Bindegewebsgerüst (Bund bedeute das Wort Ehe (ein Wort, das aus zwei e’s hintereinander besteht (denn was will das h sagen?) (Jean Paul, Über die deutschen Doppelwörter)) in entgegengesetzte Richtungen. Eh und je.
Darum ist es müßig, über Rom nachzusinnen. Man kann es, wie bei mir auch Deutschland (das sich für mich seit einem Vierteljahrhundert auf eine Handvoll Orte beschränkte) nur in die Füße packen, Schritt für Schritt im Augenblick erstehen lassen und dann wieder ab durch die Mitte. What written is, is written. Und sich dann meinetwegen an verlegte Texte erinnern, von denen man nicht sicher ist, ob sie überhaupt geschrieben wurden. Aber ich weiß, daß ich dort saß in der Villa Torlonia. Diesem zusammengewürfelten Sammelsurium architektonischer Spitzfindigkeiten. Und ginge ich weiter, ich landete unterm Kirschbaum hoch oben über dem von den Grafen Torlonia trockengelegten Fucino.
Es reichen Stichworte, und ehe (appunto) man sich’s versieht…
Auf dem Platz eine Verquickung von immer noch Karten spielenden Hexen (aber Hexenmeister sind zugelassen, der schmale Tisch wird am Nachmittag aus einer Garage geholt, die gegenüber meinem Küchenfenster liegt, Heimat eines weißlackierten Autos, das gelegentlich bei der Heimkunft in der Zeit zwischen dem Aussteigen des Fahrers und dem Öffnen des Tors zwei Minuten lang das Autoradio in voller Lautstärke hören läßt) und sogenannten Tänzern, die seit dem Wochenende im Ostello untergebracht sind und in einer entweihten Kirche ihre Bewegungen üben, aber sonst keinen Lärm machen. Man kann sie lachen hören. Das typische Lachen junger Menschen. Hexen und ich sind dazu nicht mehr so richtig in der Lage (worüber habe ich z.B. das letzte Mal gelacht?), genauso wie: Es ist nicht meine Art, mit einem fremden Menschen von einem Augenblick auf den andern ein Gespräch anzufangen, dafür fehlen mir alle Voraussetzungen… (Bernhard, Beton). Denn natürlich habe ich keine Bekanntschaften geschlossen bzw. gemacht. Ich schau’ sie mir lediglich vom Fenster aus an, bevor ich mit der Zigarette meine Hofrunde drehe. Einmal sagte ich “Cheers” zu drei Bier trinkenden jungen Tänzerinnen, die sich auch prompt von ihrem chthonischen Sitzplatz und ihre Bierflasche in der Hand erhoben, als ich den Dunkelgang zur Hoftreppe einschlug, die man dann schon jenseits in der Sonne und unkrautbewachsen sieht.
Und wenn morgen dann auf dem Platz die Abschlussfeier stattfindet mit viel Getöse und – für mich sowieso – Platzzwang (denn das Getöse draußen ist auch ein Getöse drinnen), will ich zumindest versuchen, mal nicht dem Tanzdrang nachzugeben, sondern mich lieber am Bierchen vorm Bioladen festzuhalten, der einen Hobby-Brauer engagiert hat für diese Gelegenheit. Aber es kommt auf den Moment an. Es ist das Gefühl der Lächerlichkeit zu verlieren, die mir zumindest die Vorstellung automatisch (naturgemäß (Bernhard, passim) (so treffen sich wie selbstverständlich zwei völlig fremde Welten in einer quasi Synonymität)) eingibt.
Und war, nachdem er staunend einen der Tänzer über den Platz gehen sah mit unheimlich gerader Wirbelsäule, so einfach zu finden, heißt, er weiß nicht wirklich, was er alles hat (appunto: ‘Villa Torlonia’):

ins blaue sich
tellernde kiefern
als gabelten sie
sich den himmel
während hinauf
zur schlanken palme
die krähe sich schwingt
und zwischen bauzäunen
schwitzende jogger
mit dem grün
kontrastieren

um den platz herum
an dem ich sitze
zwei im lichte
– im schatten
einer und ich
schräg hinter mir
berührt sich liebe
(so möchte es und
will es mir scheinen)

vor mir die krähe
so nah, daß ich die
schwarzen augen
funkeln seh’

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