Nach dem Kinoabend war nur noch Arbeiten angesagt. Lieferte insgesamt an die 200 Seiten (entspricht 300.000 Zeichen) ab, die allerdings schon angefangen worden waren. Heute morgen um 6 die letzten Korrekturen für die letzte Tranche und wieder ins Bett. Geschlafen bis 10. Und bis mittags lust- und etwas orientierungslos die nächsten Texte organisiert (PDF ausdrucken, Abgabetermine checken). Am Nachmittag dann eher Übersetzen gespielt als ernsthaft betrieben. Wichtiger war mir, die Mails hinauszuschicken, die meinen sogenannten “Urlaub” vom 6. bis zum 27. August und somit meine Indisponibilität ankündigten. Denn ich werde nirgendwohin fahren, es sei denn zu mir.
Denn alles Reisen türmt Umständlichkeiten im Kopf auf. Wäre ich nicht so ein hartnäckiger Weintrinker, ich wäre gestern nicht einmal zum Weinkeller gefahren. Und überhaupt: den Hof verlassen zu müssen, um zum Tabaccaio zu gehen, bedeutet immer, die Jeans anziehen, schlicht und ergreifend “arebeit”.
Zwar hatte ich Freitag einen Riesentopf Minestrone zubereitet, aß aber nur noch am Samstag davon. In den restlichen Tage schaffte ich es nicht, den Topf auf den Herd zu stellen. Der Abwasch blieb auch liegen. Wahrscheinlich wird der Minestrone jetzt im Kühlschrank sauer geworden sein. Wird also einer “Und tschüß!”-Geste zu überantworten sein.
Ich hatte mir nämlich Ritz-Cracker gekauft. Aß Stückchen Käse, löffelte in einer Honigmelone herum, ärgerte mich über das unschmackhafte Brot, die langweilige Salami, freute mich aber sehr über Tomaten in Öl (natürlich von Zanchi, wo ich auch meinen Wein kaufe).
Ein kühler Wind wehte am Wochenende. In der Gasse flatterten die Klamotten und Haare ins Vorn, also Nordwind. In der einen Nacht spürte es auch der bloße Oberkörper, nur der Kopf erweist sich nachts als nicht sonderlich tauglich, Handlungen hervorzurufen wie etwa diejenige, ein T-Shirt anzuziehen. Gleichviel, es wurde dann nach dem Aufstehen kompensiert.
Da ich doch immer etwas nebenbei lesen, wenn ich arbeite, wählte ich statt der sonstigen Jean Paul, Bernhard (zu dem kam ich heute erst wieder: er zog über Stifter (und mußte dabei dauernd an meine mediokre Seminararbeit über ihn denken, die der Prof, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, mit einer Vier bedachte) und Heidegger her), Wieland, Ibn Hamdis, Gibbon, Ariosto ein Buch, das der Besuch dagelassen hatte. Es gefalle, meinte er.
Nun habe ich tatsächlich 2-3 Sachen von Auster auf Italienisch gelesen, die mir auch gefallen haben, denn auf dem Umschlag dieses zurückgelassenen Buches nahm man Bezug auf diesen Namen. Aber das ist natürlich alles Humbug mit diesem “er schreibt wie…”. Er, Stefan Moster, schreibt wie >>>> Stefan Moster. Es ließ sich leicht lesen, dieses “Neringa”, hatte seine Höhen und Tiefen, also in etwa wie der Senf der langweiligen Salami manchmal eine spannende Seite abgewann. Nur daß dem Spannungsaufbau Hollywood folgt, aber keine Tiefe. Am Ende eine Ansichtspostkarte aus Litauen: von den Wellen beleckter Schnee. Genauso: Ansichtspostkarten einer Psychoanalyse, einer wichtigen Position in einem “Silicon Valley”-Unternehmen mit Sitz in London, einer Erinnerung an den pflasternden Großvater, bißchen zweiter Weltkrieg, bißchen Wiedervereinigung, bißchen traumatisches Erlebnis mit dem Pfarrer, aber man bekommt alles als Ansichtskarte, die man herumreichen kann: Da sei er auch mal gewesen, sagte der Großvater, als im Familienkreis mal eine solche herumging vom Mont Saint Michel. Alles wird korrekt benannt: es heißt “Endgerät” wie in der Zeitung. Einen umgangssprachlichen Schlenker erlaubte er sich aber doch, als er schrieb “in echt”. Diesen Ausdruck hatte ich zum ersten Mal auf der Höhe von Stendal in einem Regionalzug gehört, der mich von Berlin nach Wolfsburg brachte.
Auch die Gefühle sind nur Ansichtskarten. Erst sehr spät erfährt man, er sei fünfzig Jahre alt. Wie der Autor, zehn Jahre jünger als ich. Was allerdings keine Rolle spielen sollte. Aber er kokettiert dann doch damit. Denn die Neringa scheint wesentlich jünger zu sein.
Schade, das Buch rief nicht mal erotische Phantasien hervor. Wie auch die Versuche, mir eine Erektion beizubringen, in den letzten Tagen entweder scheiterten oder gar nicht erst aufkamen.
In faith: Yours lutherisch getaufter etrurian catholic heathen (Joyce, ALP).
„in echt“@Lampe Jetzt mußte ich wirklich – = in echt – lachen, lieber Herr Lampe, bei Ihrer in echten Beschreibung von Mostars „Neringa“, die mich echt davon befreite, sie selbst zu liefern — besonders aber die Formulierung, man bringe sich eine Erektion bei, fand (und findet) mein höchstes Entzücken. Hier, wo ich gerade weile, ging die Rede von einer Aufgabe für junge männliche Models: Sie hätten in enger Unterhose (und sonst nichts am Laibe) zu posieren, und ihnen würden Fotos, vielleicht auch Realitäten gezeigt, die bei, sagen wir, normal Veranlagten direkt auf die Physis wirkten – was bei solch spärlich-enger Bekleidung natürlich (:hier stimmt das Wort einmal, selten genug) sichtbar werde. Gewonnen habe dann dasjenige männliche Model, dem nichts anzusehen sei. Daraufhin ich: „Manchmal verliert man(n) g e r n e“. O tempora o non mores.
Einer Dachs, der andre frech: Ein gutes Freundespaar.