Gestern abend im Vorbeigehen an den Spiegeln ungefähr dies empfunden:
Un lago torvo il cielo glauco offende
(Ungaretti, Due note)
Mich als altes Weib gesehen mit dem nunmehr schon wieder länger gewordenen Haar, das mir abschneiden zu lassen ich mich auch heute nicht entschließen konnte. Die allgemeine Graumeliertheit. Was als “young” sich noch meldet, disjungiert sich so schnell wie der Inhalt des Glases von seinem Behälter in einem umgekehrten Verhältnis des Aus- und Eingehens. Letzte Tropfen. Dennoch froh sein über diese Momente. Die sie begleitenden Stimmen stimmen nach wie vor.
Morgen werde ich mich dazu zwingen. Ich kann so, wie ich jetzt bin, den Arientöchtern am Sonntag nicht beiwohnen (was für ein Wort!). Es wäre, als käme ich aus dem Walde mit Reisig auf dem Buckel. Wie in einem Grimm’schen Märchen. Und hüten sich vorm “lago torvo”: schau nicht hinein. Und laß das Zichten. Beiß ab dir Zung’ um Zung’. Am Ende bleibet keine, und du stummst.
So in etwa das Ambiente très privatim. Alles ereignet sich in der Projektion. Und folglich nicht. Bis auf die kleinen Momente. Gelegentlich ein Ausweichen auf SF-Filme. Aber die meisten haben immer nur Aliens zum Thema, die die Erde zerstören wollen. Wenn man’s umkehrt, sind’s die Latinos, die in die USA wollen. Und Trump als Weltretter kündigt Militär an. Oder Salvini, “unser” Innenminister, erhebt Notwehr zu einem “immer” geltenden und vorauszusetzenden Einwand, per Gesetz, das auch prompt verabschiedet wurde. Eine Welt der immer mehr legitimierten Gewalt.
Es in meiner Kapsel lesend wahrzunehmen, ist paradox, dennoch der Funken Realität neulich, als die Ex-Schwägerin hier war, um etwas zu fotokopieren. Sie mache sich manchmal Sorgen um ihre (hier gelegentlich “Neffen” genannten) Zwillingssöhne, die die Hautfarbe ihres senegalesischen Vaters geerbt haben, gerade wegen der Migranten-Hetzerei hierzulande. Wegen Salvini. Es reicht zuweilen die Hautfarbe. Mir selbst gehen manchmal solche Gedanken – Befürchtungen – durch den Kopf.
Gestern bei Kraus in der “Fackel” dies Faust-Zitat:
Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.
Ähnliche Tendenzen wie bei der AfD auch hier, was “politisierende Lehrer” betrifft. Die sollten doch gefälligst ihren Beruf wechseln.
Freunde, die man für Freunde hielt, verteidigen vehement die Regierung, weil sie blauäugig die Fünfsternebewegung gewählt haben, die sich von der Lega jetzt nasführen läßt.
Die reale Welt bleibt klein. Merkt nichts davon. Reminiszenzen zu Jugenderlebnissen in einer Nabokov-Erzählung. Ja doch, ich muß unbedingt zu den Arientöchtern am Sonntag und den einen Mezzosopran-Körper, den Blick… und ich weiß schon, wie ihre Stimme klingen und sich das alles anfühlen wird.
Und das Kaffepause-Vehikel verschwand zwei Tage, nachdem ich es fotografiert hatte. Heute indes Taubenkampf mit gespreiteten Flügeln auf einem der lädierten Fensterläden gegenüber. Heftiges Picken und Flügelhiebe. Nicht fotografiert.
Das in der Tat, Herr Lampe, wäre einmal ein SF-Film: Die Außerirdischen kommen nicht als uns, abgesehen von ihrer Befähigung zur Überwindung “unendlicher Weiten”, technisch überlegene Art auf die Erde, sondern als Geschöpfe, die um Asyl und Hilfe bitten, nachdem sie die enterpris’schen unendlichen Weiten unter ungeheuren Opfern überwunden, längst auch nicht alle von ihnen, haben, es gab viele, sehr viele Tote, im Weltall Ertrunkne, an Durst und Hunger Verreckte, – und wie jetzt die Menschen reagieren, wir auf der Erde.
Ja, “Erde” ist in diesen Filmen der Ort, der immer nur den Teil der Erde meint, den gut zu finden man eingeladen wird, wenn von Aliens die Rede ist, deren Werte eh’ undurchsichtig sind, und denen zu trauen sich gelegentlich lohnen kann, weil sie im Konflikt mit anderen Aliens als Helfershelfer dienen, die aber dennoch auf die andere Seite der Erde gehören, wo sie hingehören. Es wird nur nicht so ausgedrückt in diesen Filmen, in denen aber doch immer wieder das Thema “Terrorakt” thematisiert wird. In diese Richtung könnte man das Genre interpretieren.