(Die Übertragung der im Original russischen Zitate
ins Deutsche stammt von Jochen Neuberger.)
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An der Endstation koppelt sich der Triebwagen los, fährt auf ein Nebengleis, passiert den zurückgebliebenen Anhänger und nähert sich ihm dann von hinten. Es hat etwas von der Ergebenheit eines Weibchens, wie die Anhängerin wartet, daß der männliche vordere Wagen unter Funkengeknister herangerollt kommt und sich ankuppelt: Und ich erinnere mich (ohne die biologische Metapher), wie achtzehn Jahre zuvor in Petersburg die Pferde ausgespannt und um den dickbäuchigen blauen Trambahnwagen herumgeführt wurden.
Berlin, Ein Stadtführer, 2. Die Straßenbahn, 368
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( *: “ Gc “ steht selbstverständlich für die
allerbedeutsamste Gendercorrectness. )
Jetzt bitte einmal zurückschlagen, nur eine Seite zum Beginn des Kapitels, wo sich ohne Strittigkeit | selbst bei „Weibchen“ , die es nicht s i n d oder, da bin ich komplett solidarisch, sein es nicht w o l l e n, die folgende Anrührung findet – dabei behalten, Geliebte, Sie bitte im Sinn, daß er die kleine, doch höchst auratische Betrachtung 1925 schrieb:
Die Straßenbahn wird in etwa zwanzig Jahren verschwinden, wie die Pferdebahn verschwunden ist. Für mein Gefühl hat sie schon jetzt etwas Überlebtes, eine Art altmodischen Charme. Alles an ihr ist ein wenig ungefüge und klapprig, und wenn sie eine Kurve etwas zu schnell nimmt und die Stromstange vom Fahrdraht springt und der Schaffner oder sogar einer der Fahrgäste sich am Heck des Triebwagens hinauslehnt, nach oben späht und an der Schnur ruckelt, bis die Rolle wieder Kontakt hat, dann denke ich jedes Mal daran, wie auch dem Kutscher in früheren Zeiten manchmal die Peitsche aus der Hand gefallen sein muß und wie er dann sein Vierergespann zügelte, den Burschen in langschößiger Livree, der neben ihm auf dem Bock saß, zurückschickte, (um) sie aufzuheben, und durchdringend ins Horn blies, während seine Kutsche über das Kopfsteinpflaster eines Dorfes holperte.
Berlin, Ein Stadtführer, 2. Die Straßenbahn, 366
Am Ende des Kapitelchens skizziert der sechsundzwanzigjährige, als russischer Emigrant eben in Berlin lebende Nabokov sogar schon eine hier höchst zärtliche, weil in gutem Sinn sentimentale oder doch – lassen Sie es mich so, bitte, nennen – „Poetik der vorausahnenden Melancholie“:
Ich meine, daß eben hierin der Sinn schöpferischer Literatur besteht: alltägliche Dinge so zu schildern, wie sie sich in den wohlmeinenden Spiegeln künftiger Zeiten darbieten werden: in den Dingen unserer Umwelt jene duftige Zartheit aufzuspüren, die erst unsere Nachkommen erkennen und zu schätzen wissen werden, in den fernen Tagen, da jemand, der sich das gewöhnlichste heutige Jackett überzieht, für den elegantesten Kostümball passend ausstaffiert
sein wird.
Berlin, Ein Stadtführer, 2. Die Straßenbahn, 369