I. Email | Freunde
S. an ANH, 26. 2., 22.32 Uhr
(…)
wir haben Deinen Beitrag zum aktuellen Krieg gelesen und können ihn insgesamt nachvollziehen; es kann wohl nur im umfassenden Sinn darum gehen, Kriege zu verhindern. – E(….) hat weniger Sorge vor einer Ausbreitung des Krieges als ich – Aufregung, Schlaflosigkeit jedenfalls, was passiert macht Angst.-.
Es gibt unter den „Corona-Skeptikern“ nebenbei pro-russische Tendenzen, pro Trump, wie ich aus dem Gespräch mit einer Kollegin, einer studierten Frau, erfahren durfte. Ich wette, ein guter Teil der jungen Menschen bekommt gar nix vom aktuellen Geschehen mit. Aber vielleicht ist das ja wiederum nicht besorgniserregend…ANH an S., 27.2., 7.41 Uhr
Oh, ihr zwei,ich denke, auch junge Leute bekommen von dem allen viel mit, auch wenn sie vielleicht die Tragweiten nicht wirklich richtig einschätzen können. Aber – können w i r das?Im Kopf dauernde Plan“spiele“, Unruhe, Angst. Im Fall einer Mobilmachung wäre (…) mein Sohn, einer der ersten, die es träfe – ohne daß er irgend eine Ahnung hat, wie man mit einer MP umgeht. Er selbst sagte mir vor drei Tagen im Gespräch, er und sein Freundeskreis – und er glaube, seine ganze Generation – werde einen Dienst an der Waffe verweigern und lieber ins Gefängnis gehen. Was selbstverständlich völlig naiv ist, weil dann Kriegsrecht herrschte. Ich selbst habe den Impuls, mich, wenn mein Sohn in den Kampf müßte, freiwillig zu melden. Es kann nicht angehen, daß er den Kopf hinhält und ich nur zuschaue. Aber das gehört zu den Planspielen im Kopf.
S. an ANH, 27. 2., 21.33 Uhr
Ach, Alban,möglicherweise war ich zu schnell in Bezug auf junge Leute, gehe nur von den Menschen aus, mit denen ich gerade arbeite – und die oft reichlich wenig Interesse haben für alles, was über sie direkt Betreffendes hinausgeht. Was aber nichts besser macht(,) und dass die Situation ungut ist, lässt sich jedenfalls mit Sicherheit sagen, während es, auch da hast du recht, kaum prüfbaren Infos gibt. – In einem dritten Weltkrieg mit dem Gewehr kämpfen, bei einem Arsenal an Atomwaffen, mit denen die Welt mehrfach zu vernichten ist?! nun ja…jedenfalls beste Wünsche nach Berlin,
S.
[19:57, 26.2.2022] ANHHow are you? How is your family? Can you get your daughter to Germany somehow? Is there anything I can do to help?[23:37, 26.2.2022] LaPutzHello! Sorry I didn’t come today. I went to Poland to pick up my daughter in Berlin. We just arrived. Thank you for your support. See you. Peace on earth??[07:52, 27.2.2022] ANHO good, that your daughter obviously is safe. Now I am somewhat reassured.
Schwarze Poesie
Schwarze Poesie des Krieges
blickt kalte Asche aus den Augen toter Kinder
alles Glück gewichen
nur noch der Klang der Raketen
die Feuer der Explosionen
liegen tote Männer im Schnee
der Strom der Fliehenden
ein unerhörtes Gebet an die Götter
die längst den Planeten verlassen
der erste Kuss der letzte
euer Leben gestohlen Olga, Oleg
Igor, Iryna
Schwarze Poesie der Panzer
rollt durch die Straßen
wird alles zu schmatzendem Schlamm
Ihr riecht nach Diesel
ihr Helden der Zerstörung
seid schon namenlos, obgleich ihr noch lebt
seid Maschinen, nicht Menschen
Instrumente der Vernichtung
Schwarz die Poesie des Krieges
schwarz, ewig schwarz die Nacht
Ihre Absicht in Ehren, Herr Nennich, doch ein gutes Gedicht ist das nicht. Schlimm ist vor allem die Assonanz an Celan („Schwarze Poesie der Panzer“ | >>>> „Schwarze Milch der Frühe“). Und dann noch der Kitsch („ewig schwarz die Nacht“), um vom fehlenden Metrum ganz zu schweigen.
Auch wenn wir, was diesen Krieg anbelangt – vielleicht auch Kriege insgesamt – einer Meinung sein mögen, bleibt mein ästhetisches Wissen intakt und äußert sich protestierend sofort. Um >>>>> Nietzsche zu variieren: Die dümmste Art einer Sache zu helfen ist, sie mit ungenügenden Mitteln zu verteidigen.