Medikamentenprotokoll: Lyrica (Pregabalin Zentiva 75mg). Sechster Tag. [Krebsfolge-Tagebuch].

(Verschrieben wegen der als Chemofolge eingetretenen Polyneuropathie in den Füßen.
Statt des verschriebenen LYRICA bekam ich in der Gethsemane-Apotheke das gleichwertige PREGABALIN.)

Meinerseits nach Lektüre des → Beipackzettels Bedenken wegen der möglichen, aus meiner Sicht → extremen Nebenwirkungen des Medikaments, insbesondere in Verbindung mit Alkohol. Deshalb Absprache mit der Ärztin: Testlauf mit Beginn des alkoholfreien Monats[1]Vor Corona habe ich jährlich einen solchen eingelegt; seit Corona leider nicht mehr. Das war zu ändern und wurde mit dem Sonntag, 20.11., geändert. ANH eine Woche lang je eine Hartkapsel abends, danach für eine Woche zwei Kapseln, nämlich je morgens und abends. Daraufhin in der Praxis das auch insofern ausgesprochen wichtige Ergebnisgespräch, als LYRICA nicht, gegebenenfalls, einfach abgesetzt werden kann, sondern „ausgeschlichen“ werden muß.)

 

Sechster Tag (Eine Kapsel abends)

Auffällig, wie sich seit einzwei Tagen mein Schlafbedürfnis verstärkt hat; von der neuen Intensität des Mittagsschlafes schrieb ich → gestern schon. Nun fällt es mir schwer, mit meinen seit Jahren, ja Jahrzehnten gewohnten viereinhalb bis fünf Stunden Nachtschlaf auszukommen; morgens muß ich, jedenfalls seit gestern, eine halbe Stunde, mindestens, drauf“legen“, wogegen ich mich vorgestern noch gesperrt habe. Mir fehlt die Zeit im Arbeitsvorgang später. Was ich aber gestern schon lässig sah, einfach, weil ich beobachten konnte, daß sich meine eigentlich kreative Zeit, nämlich der frühe Morgen und der Vormittag, seit Einnahme des Medikamentes auf seltsamerweise den späten Nachmittag bis in den Abend hinein verschiebt, ohne daß die Ergebnisse geringer werden. Spannend. Die medikamentöse Übertretung der Blut/Hirn-Schranke bringt spürbare Modifikationen selbst der Lebenshaltung hervor. „Daneben“ unterdrückt sie das unangenehme Dauerkribbeln in Füßen und Waden ausgesprochen wirksam. Aber nicht nur das, ist auch meine durch die Chemo eingeschränkt gewesene Trittsicherheit zwar nicht ganz, aber doch so zurück, daß ich beim Hinabsteigen von Treppen nicht mehr die Stufen anstarren muß – und das nach gerade mal fünfsechs Tagen. Ich merke es übrigens auch, wenn ich Socken anziehe; der Gleichgewichtssinn läßt mich jetzt wieder auf nur einem Bein stehen, eine wie auch immer banale Fähigkeit, die dennoch ebenfalls gestört war. Etwas irritierend allerdings, daß – zu dem Thema siehe erneut→ dort – die gestern triumphierenden 70,3 kg Körpergewicht sozusagen über Nacht auf wieder 69,3 zurück-, läßt sich –gefallen sagen? – sind. Weniger als die Tage zuvor habe ich eigentlich nicht gegessen. Na gut, mal warten (komisch, mir fällt das Redundanzwort „zuwarten“ ein); auch weiß ich nicht recht, ob ärgerlich oder froh darüber zu sein. Ich meine, wäre es so weitergegangen wie bisher, hätte ich in zwei Wochen achtzig Kilo gewogen, und das ohne Kraftsport, also ohne noch sonderlich bemerkenswerte Muskulatur. Und fett zu sein, ist mir ein Graus; ich ertrag es ja kaum an anderen.

Das Wichtigste weiterhin: keine lähmende Wirkung auf die Psyche, eher im Gegenteil. Fast zunehmend mehr arbeiten wollen, zugleich aber unverkrampft, fast lässig, wenn mal die Zeit nicht zuläßt, was meine Disziplin nach Vorplanung will. Ich denke „wird schon“ dann. Und wirklich wird es auch. Eine „irgendwie“-ganz neue Erfahrung.

ANH,  10.48 Uhr
[Tschaikowski, Erste Sinfonie:
Offenbar höre ich mich in meine Jugendzeit zurück;
von der Dritten bin ich schon wieder wie besessen. Kann
es sein, daß meine Neigung zu pathetischem Sprechen
– das in meiner Dichtung immer als Singen gemeint ist –
eben hier ihren Anfang als eine Prägung nahm, die
sich niemals verlor?]

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Siebter Tag

Fünfter Tag

References

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1 Vor Corona habe ich jährlich einen solchen eingelegt; seit Corona leider nicht mehr. Das war zu ändern und wurde mit dem Sonntag, 20.11., geändert. ANH

1 thought on “Medikamentenprotokoll: Lyrica (Pregabalin Zentiva 75mg). Sechster Tag. [Krebsfolge-Tagebuch].

  1. Schön dass es Ihnen besser geht
    Ja, hat sich das Medikament nicht nur „angeschlichen“ sondern auch „eingeschlichen“ passieren ungewohnte Dinge da oben in der „Schaltzentrale“…
    Und das schwankende Gewicht könnte evtl auch mit einer stärkeren Speicherung von Wasser im Körpergewebe einhergehen.
    Starke Medikamente greifen in den Stoffwechsel ein, sprich: Nieren und Leber sind sehr beschäftigt…der Darm natürlich auch.
    Interessant Ihr Hinweis auf Tschaikoowski. Back to the roots, wie mir scheint. Kaum eine Erfahrung die wir machen wird einfach „vergessen „; sie erwacht unter bestimmten Bedingungen wieder, taucht aus der Erinnerung wieder auf und wenn das zu wichtigen kreativen Impulsen führt…wunderbar!
    RIvS.(c).

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