Die Fehlernummer 0x00000709 als Arbeits- und sozusagen Entschuldigungsjournal, am Montag, den 14. August 2023, nämlich. Darinnen zu Hans Pfitzner.

[Arbeitswohnung, 9.14 Uhr
Pfitzner, Das Fest auf Solhaug]
In der Tat, liebste Freundin, muß ich Sie um Entschuldigung bitten – und will es; dafür, daß ich so lange schwieg und selbst, wenn ich’s mal nicht tat, es mit Zitaten nicht tat, anstelle mein eignes Wort zu nehmen. So ist nun s o viel liegen geblieben, sogar ein bereits recht komplex gediehenes Traumprotokoll. Nun wartet’s noch immer auf sein Finale. An den von mir groß angekündigten Reisebericht (Bozen, Dolomiten, Brenner, Innsbruck, Wien, Val del Pellice/Piemont) mag ich nicht einmal erinnern; immerhin drück ich mich nicht drum. Aber wahrscheinlich hatten Sie unterdessen nicht mal mehr Lust, noch nachzusehen, ob’s von fiktionärer Seite etwas Neues gebe … (altes Neues; der Problematik bin ich mir bewußt). Und „immerhin“ zum zweiten: Ich schreibe dies am fertig eingerichteten neuen Laptop, dem ich den Namen Denktop gab, um ihn im Heimnetz zu erkennen, dieses nun der e i g e n t l i c h e Grund meines langen Schweigens war.
All die Tage habe ich fast unentwegt gearbeitet, aber halt „nur“ für das Netzwerk meiner Arbeitswohnung. Ich und, muß ich schreiben, wir – Benjamin Stein und ich – hatten einiges zu tun, um herauszubekommen, weshalb die angemeldeten und freigegebenen Gerät erst nicht mal im Netzwerk auf dem je anderen Gerät sichtbar wurden und dann, als sie sichtbar endlich gemacht, sich nicht aufrufen ließen. Bis in die cmd-Befehle friemelten wir, Stein zumal aus der Entfernung, da er im Ausland weilt zur Zeit, über Signal. Und da endlich funktionierten die Zugriffe von Denktop auf Musikcomputer und auch umgekehrt. – Problem gelöst, dachte ich; danke, lieber Benjamin.

Nur.

Nur daß nächstentags, gestern, der Zugriff erneut blockiert war; dabei hatte ich gar keine Änderungen mehr vorgenommen. Meine (harte) Firewall war tätig geworden. Schlielich – am frühen Nachmittag bereits – war ich derart von ihr genervt, daß ich sie deinstallieren und dann nochmal alles aufbauen wollte (inkl. kompletten Rücksetzens der Netzwerkverbindung). Was ich Göttinseidank unterließ. Denn ein Zufall, eine zufällige, ich nenn es mal, Gedankendrehung brachte die Lösung, eine weniger beabsichtigte als instinktive. Doch ich verrat sie Ihnen nicht, sie ist derart banal, daß es mir peinlich wäre. Mein Netzwerk indes, jetzt funktioniert’s, und zwar in jede Richtung. Das einzige, was nach wie vor nicht klappt, ist, den an den Musikcomputer angeschlossenen USB-Laserdrucker im Netzwerk aufzurufen. Er wird zwar angezeigt, aber ständig, wähle ich ihn an, ploppt die Info auf, die Verbindung sei gescheitert, und gibt als Fehlernummer 0x00000709 an — indirekt eine hübsche Metapher für das, was Der Dschungel in den letzten Tagen geschah, also nicht geschah: die Beendigung vorgenommener Einträge.

[Pfitzner, Violinkonzert]

Mit Horcynus Orca bin ich dennoch weitergekommen, ein Drittel des enormen Buches ist gelesen. Und aus einem mir nicht mehr erinnerlichen Grund hörte ich seit langem wieder Hans Pfitzner – um den ich nach wie vor einen Bogen machen würde, hätte er nicht den grandios-innigen Palestrina geschrieben. Irgendwo anders muß er doch, denke ich bisweilen, ähnlich Großes geschrieben haben; solch ein Werk gelingt doch nicht aus Zufall … — Also es erneut mit seinen großen Kantaten versucht. Das dunkle Reich ließ mich noch relativ unberührt; die Art, in der die Texte immer wieder zu Trios ausgewalzt werden, ist mir zu gedängelt, zu, wenn auch eben absichtsvoll, unnötig verkompliziert. Sie laufen gegen die Verse, anstatt sich unter sie zu schmiegen, walzen sie, die Verse, geradezu zu Tode. Was ein schmerzhaftes Passendes ist, sofern unser aller Tod Thema der Komposition ist. Künstlerisch Langeweile darzustellen darf nicht langweilig sein.
Doch dann.
Alleine schon der Titel!

Von deutscher Seele

Ich meine, bei einem – wie es zu sein scheint – bis zu seinem Ende überzeugten Nazi? Doch schon, als ich diese lange „Romantische Kantate“ erstmal wiederhörte, merkte ich sofort die für die Entstehungszeit ziemlich radikalen Formwagnisse, die, wenn Pfitzner spätromantisch auch b l e i b t, voller Dissonanzen sind und eigentümlich freischwebender und als solcher auf sanfte Weise ergreifender Orchesterstücke, die den besten von Mahler nicht nach- und vor allem aber gegen die pfitznereigene, übrigens sehr aggressive Musikideologie anstehen, wie er sie in seinen Attacken auf Busoni zum Erschrecken lautwerden ließ.

Jedenfalls hörte ich erst, und zweimal hintereinander, → Hollreisers Live-Aufnahme von 1986 an, die ich als Vinyl habe; dann recherchierte es, daß es eine Aufnahme unter Metzmacher gibt, der mich ohnedies seit langem interessiert; sie habe zu fast einem Skandal[1]Lies → dort. geführt. Ich selbst finde „Skandalöses“ allenfalls darin, daß er, Metzmacher, das Stück für eine Feier des Tages der deutschen Einheit auswählte, halte es aber eher für einen stilistischen Fauxpas; trotz ihres problematischen, weil belasteten Titels ist die Komposition sogar inhaltlich wert, aufgeführt zu werden – nur daß mir außer Robert Holl Metzmachers Solistinnen und Solisten deutlich zuviel Vibrato haben. Mich stört sowas ungemein. Dennoch, nach einigen Klängen läßt es sich sogar süchtig werden, auch und gerade fein g e s c h u l t e Ohren. So daß Hans Pfitzner fast beispielhaft[2]In politischem Sinn ein äußerst schlechtes Beispiel … zu jenen Künstlern gehört, mit denen wir leben müssen, indem wir ihre privaten Meinungen (zu denen dann auch die Busoni-Attacken gehören) von dem trennen, was in ihrer Kunst de facto wahr ist, und zwar dieses gegen sie selbst. So „einfach“ (selbstverständlich, widerspruchsfrei, einig) wir gerne leben möchten — darum, Ambivalenzen nicht nur auszuhalten, nein, vielleicht sogar, sie zu kultivieren, kommen wir nicht herum. Tun wir es nicht, sind wir nicht erwachsen – oder sind es sogar nie gewesen.
Diese Lehre hat auch Wokeness zu bestehen. Ein Nein ist ein Nein. Doch manchmal (wenn auch vielleicht selten) eben nicht.

Ihr ANH

[Pfitzner, Duo für Violine, Cello und Orchester]

References

References
1 Lies → dort.
2 In politischem Sinn ein äußerst schlechtes Beispiel …

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