5 thoughts on “Hat eigentlich jemals, wenn sie gewaltfrei verlief,”
Ja natürlich, lieber Alban. Für den Erfolg friedlicher Demonstrationen gibt es eigentlich viele erstaunliche Beispiele allein aus den letzten Jahrzehnten unseres Landes, geschweige denn weltweit… Ich habe selbst ein ganzes Buch über eine gewaltfreie Demonstration geschrieben, die letztlich ganz Europa verändert hat. Das Buch heißt „Der Tag, der Deutschland veränderte“ und ich lasse es Dir sehr gerne zukommen. Herzlichst, Martin Jankowski
Lieber Martin,
ja, das Buch interessiert mich sehr. Und danke für Deine Intervention. Ich bin ja sehr froh, wenn mir jemand ein Gegenargument vorhält, das mich umdenken oder auch „nur“ umfühlen läßt und mir diese verdammte Hilflosigkeit vielleicht auch nur ein bißchen nimmt.
A.
Also, wie Du ahnst lieber Alban, bezieht sich meine Intervention auf den 9. Oktober 1989 in Leipzig, als wir über 100.000 friedliche Demonstranten unser Leben riskierten und mit dieser friedlichen Demonstration ein gut bewaffnetes Regime in die Knie zwangen – was u.a. die Voraussetzung dafür schuf, dass die Mauer fiel und aus einem Aufstand eine erfolgreiche (weitgehend friedliche) Revolution werden konnte… das ist aber eben nur EIN Beispiel aus unserer eigenen jüngeren Geschichte; ich bin sicher, auch Du hast z.B. schon vom Marsch auf Washington (USA 1963), von Gandhis Salzmarsch (Indien 1930) oder von der Friedensdemo im Bonnerhofgarten (BRD 1981) gehört… und es gäbe der Beispiele noch viel mehr, darum: Friedliche Demonstrationen können (nicht immer, aber mitunter) definitiv Verlauf der Geschichte ändern.
Was Eure, ja, „Eure“ Leipziger Demonstration anbelangt, bin ich mir nie sicher gewesen, was bereits alles im Vorfeld, quasi diplomatisch hinter verschlossenen Türen längst beschlossen war, zumal die Art, in der die alte BRD dann in die sogenannten neuen Länder einfiel (eigentlich ein .)→ „hostile merger“; noch heute bestimmen dort weitgehend BRD-Westler das wirtschaftliche und also auch – abgesehen von der AfD – politische Geschehen), geradezu planmäßig ablief – verzeih den Euphemismus des letzten Worts. Gandhis gewaltfreier Widerstand wiederum führte zu signifikant mehr Toten als viele Aufstände weltweit zuvor; wäre er mit Gewalt verbunden gewesen, wären kaum mehr Menschen umgekommen. Insofern finde ich den Begriff „gewaltfrei“ gerade bei Gandhi problematisch. Und das – für ihn, den damals noch KGB-Mann – Trauma Putins, der den Zusammenbruch ja in der DDR-direkt erlebt hat und der den der Sovietunion bekanntlich die größte Katastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts nannte und weiterhin so nennt, peitscht sich seit zweieinhalb Jahren mit Tausenden von Toten durch die Ost-Ukraine, die für ihn, da bin ich mir sicher, „nur“ der Anfang sehr viel weiterer Niederwerfungsfeldzüge ist, sofern er diesen denn gewinnt. Und es sieht derzeit nicht gut aus für die Ukraine und, auf weitere Sicht dann, für uns Westler, zumindest in Europa. In jedem Fall ist dieser Krieg mit dem Zusammenbruch erst der DDR, dann des gesamten Ostblocks auf das engste verbunden. Die „Revolution“, die vor allem Demonstation und eben eine friedliche war (wofür und für die wir dankbar sind), hat so dann eben doch schwer gewaltsame Folgen. Man muß nur, sie beobachtend, über größere Zeiträume denken. Und was mich persönlich sehr schmerzt, der ihr zugehörte, ist, daß die deutsche Friedensbewegung mittlerweile sogar verhöhnt wird, anstatt daß wir trauern über ihre Erfolglosigkeit. Und sie desavouiert sich jetzt auch noch selbst, inkl. „neuem“, sich „postkolonial“ und „woke“ ideologisch rechtfertigendem Antisemitismus.
Sabine Scho
sie bringt sichtbarkeit. das ist eine veränderung. vielleicht nicht die, die du dir vorstellst, aber sie ist eine.
ANH
Nicht vielleicht nur das gute Selbstgefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, also irgendwie moralisch mit dabei zu sein? Politische Veränderungen habe ich jedenfalls de facto nach Demonstrationen noch nicht erlebt. Und ich blicke auf viele, viele zurück.
Sabine Scho
ich weiß nicht, ich hab bei den demos gegen den golfkrieg ganz schön gefroren. das brachte eher kalte füße, als ein gutes selbstwertgefühl. und auf schienen sitzen gegen castortransporte war auch nicht so bequem.
ANH
Die Anti-Golfkriegs-Demos waren irre erfolgreich, erinner ich mich, fast genauso wie die gegen die Castor-Transporte oder seinerzeit die Riesendemo (sämtliche Autobahnkilometer von Bremen bis dort bockiert) wegen Brockdorf. Auch die Ukraine-Demos zeicheten sich, wie wir am Frieden dort sehen könnne, durch ernorme Wirkkraft aus; jedenfalls Putin und seine Verbrecher-Entourage waren schwer beeindruckt. Aber ich merke, daß ich zynisch werde, und möchte das nicht. Imgrunde bin ich nur hilflos. (Um von dem grauenvoll und offenbar eben nicht „aus Ruinen“ wiederuferstandenen Antisemitismus besser ganz zu schweigen, der selbst in „woken“ Milieus ganz furchtbar reussiert. Und was tut „mein“ Pen, der Pen Berlin? Lädt eine BDS-assoziierte Tante → als Eingangsrednerin des diesjährigen Kongresses ein. Es ist nur noch zum Heulen.)
Sabine Scho
ich weiß nicht, man sieht, man ist nicht allein mit seiner wut, seinen ängsten, seiner hilflosigkeit, das hat natürlich einen effekt, ohne den wird veränderung, wie du sie dir vorstellst, noch unwahrscheinlicher. durch die medien wird menge verbreitet und bestärkt auch andere in ihrem widerstand. ich glaube, es bewirkt eine menge, nur nicht monokausal und eher auf längere sicht, wenn alle zuhause blieben, wäre es nicht besser. und erst mal will ich mir kennedy als autorin anhören. weißt du, ich hab schon autor*innen auf dem podium erlebt, die bezeichneten die krim als das geschenk russlands an die ukraine und allen im saal stockte der atem. sie sind keine schlechten autor*innen, aber natürlich hat das auch den blick auf sie getrübt, aber dennoch würde ich sie hören wollen auf einem podium. es geht im PEN ja gerade darum, dachte ich, die freiheit des wortes. wie gut oder schlecht ich dann gefunden haben werde, sie einzuladen, weiß ich erst hinterher.
Ja natürlich, lieber Alban. Für den Erfolg friedlicher Demonstrationen gibt es eigentlich viele erstaunliche Beispiele allein aus den letzten Jahrzehnten unseres Landes, geschweige denn weltweit… Ich habe selbst ein ganzes Buch über eine gewaltfreie Demonstration geschrieben, die letztlich ganz Europa verändert hat. Das Buch heißt „Der Tag, der Deutschland veränderte“ und ich lasse es Dir sehr gerne zukommen. Herzlichst, Martin Jankowski
Lieber Martin,
ja, das Buch interessiert mich sehr. Und danke für Deine Intervention. Ich bin ja sehr froh, wenn mir jemand ein Gegenargument vorhält, das mich umdenken oder auch „nur“ umfühlen läßt und mir diese verdammte Hilflosigkeit vielleicht auch nur ein bißchen nimmt.
A.
Also, wie Du ahnst lieber Alban, bezieht sich meine Intervention auf den 9. Oktober 1989 in Leipzig, als wir über 100.000 friedliche Demonstranten unser Leben riskierten und mit dieser friedlichen Demonstration ein gut bewaffnetes Regime in die Knie zwangen – was u.a. die Voraussetzung dafür schuf, dass die Mauer fiel und aus einem Aufstand eine erfolgreiche (weitgehend friedliche) Revolution werden konnte… das ist aber eben nur EIN Beispiel aus unserer eigenen jüngeren Geschichte; ich bin sicher, auch Du hast z.B. schon vom Marsch auf Washington (USA 1963), von Gandhis Salzmarsch (Indien 1930) oder von der Friedensdemo im Bonnerhofgarten (BRD 1981) gehört… und es gäbe der Beispiele noch viel mehr, darum: Friedliche Demonstrationen können (nicht immer, aber mitunter) definitiv Verlauf der Geschichte ändern.
Was Eure, ja, „Eure“ Leipziger Demonstration anbelangt, bin ich mir nie sicher gewesen, was bereits alles im Vorfeld, quasi diplomatisch hinter verschlossenen Türen längst beschlossen war, zumal die Art, in der die alte BRD dann in die sogenannten neuen Länder einfiel (eigentlich ein .)→ „hostile merger“; noch heute bestimmen dort weitgehend BRD-Westler das wirtschaftliche und also auch – abgesehen von der AfD – politische Geschehen), geradezu planmäßig ablief – verzeih den Euphemismus des letzten Worts. Gandhis gewaltfreier Widerstand wiederum führte zu signifikant mehr Toten als viele Aufstände weltweit zuvor; wäre er mit Gewalt verbunden gewesen, wären kaum mehr Menschen umgekommen. Insofern finde ich den Begriff „gewaltfrei“ gerade bei Gandhi problematisch. Und das – für ihn, den damals noch KGB-Mann – Trauma Putins, der den Zusammenbruch ja in der DDR-direkt erlebt hat und der den der Sovietunion bekanntlich die größte Katastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts nannte und weiterhin so nennt, peitscht sich seit zweieinhalb Jahren mit Tausenden von Toten durch die Ost-Ukraine, die für ihn, da bin ich mir sicher, „nur“ der Anfang sehr viel weiterer Niederwerfungsfeldzüge ist, sofern er diesen denn gewinnt. Und es sieht derzeit nicht gut aus für die Ukraine und, auf weitere Sicht dann, für uns Westler, zumindest in Europa. In jedem Fall ist dieser Krieg mit dem Zusammenbruch erst der DDR, dann des gesamten Ostblocks auf das engste verbunden. Die „Revolution“, die vor allem Demonstation und eben eine friedliche war (wofür und für die wir dankbar sind), hat so dann eben doch schwer gewaltsame Folgen. Man muß nur, sie beobachtend, über größere Zeiträume denken. Und was mich persönlich sehr schmerzt, der ihr zugehörte, ist, daß die deutsche Friedensbewegung mittlerweile sogar verhöhnt wird, anstatt daß wir trauern über ihre Erfolglosigkeit. Und sie desavouiert sich jetzt auch noch selbst, inkl. „neuem“, sich „postkolonial“ und „woke“ ideologisch rechtfertigendem Antisemitismus.
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Sabine Scho
ja, sichtbarkeit.
ANH
Und? Die brachte/bringt Veränderung? Wann je?
Sabine Scho
sie bringt sichtbarkeit. das ist eine veränderung. vielleicht nicht die, die du dir vorstellst, aber sie ist eine.
ANH
Nicht vielleicht nur das gute Selbstgefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, also irgendwie moralisch mit dabei zu sein? Politische Veränderungen habe ich jedenfalls de facto nach Demonstrationen noch nicht erlebt. Und ich blicke auf viele, viele zurück.
Sabine Scho
ich weiß nicht, ich hab bei den demos gegen den golfkrieg ganz schön gefroren. das brachte eher kalte füße, als ein gutes selbstwertgefühl. und auf schienen sitzen gegen castortransporte war auch nicht so bequem.
ANH
Die Anti-Golfkriegs-Demos waren irre erfolgreich, erinner ich mich, fast genauso wie die gegen die Castor-Transporte oder seinerzeit die Riesendemo (sämtliche Autobahnkilometer von Bremen bis dort bockiert) wegen Brockdorf. Auch die Ukraine-Demos zeicheten sich, wie wir am Frieden dort sehen könnne, durch ernorme Wirkkraft aus; jedenfalls Putin und seine Verbrecher-Entourage waren schwer beeindruckt. Aber ich merke, daß ich zynisch werde, und möchte das nicht. Imgrunde bin ich nur hilflos. (Um von dem grauenvoll und offenbar eben nicht „aus Ruinen“ wiederuferstandenen Antisemitismus besser ganz zu schweigen, der selbst in „woken“ Milieus ganz furchtbar reussiert. Und was tut „mein“ Pen, der Pen Berlin? Lädt eine BDS-assoziierte Tante → als Eingangsrednerin des diesjährigen Kongresses ein. Es ist nur noch zum Heulen.)
Sabine Scho
ich weiß nicht, man sieht, man ist nicht allein mit seiner wut, seinen ängsten, seiner hilflosigkeit, das hat natürlich einen effekt, ohne den wird veränderung, wie du sie dir vorstellst, noch unwahrscheinlicher. durch die medien wird menge verbreitet und bestärkt auch andere in ihrem widerstand. ich glaube, es bewirkt eine menge, nur nicht monokausal und eher auf längere sicht, wenn alle zuhause blieben, wäre es nicht besser. und erst mal will ich mir kennedy als autorin anhören. weißt du, ich hab schon autor*innen auf dem podium erlebt, die bezeichneten die krim als das geschenk russlands an die ukraine und allen im saal stockte der atem. sie sind keine schlechten autor*innen, aber natürlich hat das auch den blick auf sie getrübt, aber dennoch würde ich sie hören wollen auf einem podium. es geht im PEN ja gerade darum, dachte ich, die freiheit des wortes. wie gut oder schlecht ich dann gefunden haben werde, sie einzuladen, weiß ich erst hinterher.