Echinoidea dentata ODER Eines Jungen Mösenangst. Horcynus Orca (14), Sätze X (Passagen).



          

          Da also war es, ohne jeden kupfergrünen Schuppenpanzer, dieses Geheimnis einer Sirene, da lag es, da oben auf den bimssteinstaubigen Säcken, hinter der Steuermannskabine, ganz offen lag es da, nackt, und schien mit seinem rötlichen schattigen Mund zu atmen, wie bestimmte Meeresfrüchte, die so beeindruckend lebendig sind. In dem kalten, weißstrahlenden Licht der Tramontana rief diese Art zerspaltenen Seeigels in ihm einen leichten Widerwillen hervor wie gehäutetes, aufgeschlitztes Rohfleisch, ein Anblick, der sättigend war bis zum Ekel, bis zur Magenreizung, und er fühlte, wie er gleichzeitig von Zorn und Untröstlichkeit darüber erfasst wurde, wie diese Soldatara, diese Soldatenhure ihm auf barbarische Weise alles so offen zur Schau gestellt hatte, darüber, dass er noch nicht wieder an Land gesprungen war und sie mit ihren gespreizten Schenkeln einfach da zurückließ. Ausgerechnet mit der hier musste es mir das erste Mal geschehen, sagte er zu sich, während er sich über sie beugte, ausgerechnet mit dieser Verblatterten, dieser Grobschlächtigen und Mannsmännischen, die dem Phantasieren auch nicht den kleinsten Ausweg gönnt. Beim Akt jedoch hatte er vergessen, was für eine Verwilderte, was für eine Vulgäre sie war. Er behandelte sie, als wäre sie dort zart, als müsste er ihr mit Achtung begegnen: Daher hielt er sich leicht aufgerichtet auf den Handflächen, statt eng auf ihr zu liegen, und wenn sich das für ihn wie ein Opfer darstellte, war es für sie ein noch größeres. In der Tat musste sie so wenig Gefallen daran gefunden haben, dass sie augenblicklich rebellierte: Schlagartig hatte sie innegehalten, fasste dann zuerst eines seiner Handgelenke, umarmte darauf seinen Rücken und presste ihn mit einer barbarischen Bewegung auf sich. Dort, hinter der Steuermannskabine, traf der Wind der Tramontana seitlich auf sie und schien gegen die Zähne der Trapanesin zu pfeifen, die ihren Atem an sein Ohr blies, bald aus Feuer, bald aus Eis. Das Meer war bewegter geworden und klatschte schäumend gegen den Bug des Seglers mit immer höher aufsteigenden Schaumbläschen, die auf sie niederfielen. Am Ende hatte sie ihn wie nach einem Ringkampf auf die Planken geworfen. Da war es ihm vorgekommen, als hätte er im Bootsbauch einen Hund gehört, der mit heraushängender Zunge hechelte, einen mit Zähnen heraufgezogener, mit dem Fingernagel aus der Kehle gekratzter Atem, der Atem eines, der am Ende ist.

Stefano D’Arrigo. Horcynus Orca, Roman (Seite 8o9/810: S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, dtsch. von Moshe Kahn | Kindle-Positionen 14889-14905)

Nota:

***

Bestellen

______________
Horcynus Orca 15
Horcynus Orca 13



 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .