Nulla dies sine linea. Das Bahnstreiksjournal des Freitags, den 26. Januar 2024.

[Ndsl auch → dafür dienen die Arbeitsjournale.
Mir das stets vor Augen halten. Gechmeidig bleiben
im Ausdruck. Und aber daran denken, daß nur das
„Nur das Schwierige (…) anregend (ist); nur der
Widerstand, der uns herausfordert, kann unser Er-
kenntnisvermögen geschmeidig krümmen, es wecken
und in Gang halten.“ (→ José Lezama Lima)]

[Pettersson, Fünfte
(Ich hör mich grad von der Sechsten rückwärts zur Dritten durch
und zur Sechsten wieder hoch.]

          Nun müssen wir den dritten Seminartag leider online gestalten; meine Rückfahrt von Bamberg wäre so kompliziert geworden, daß ich es „komplex“ nennen müßte. Auf eingesetzte „Not“-ICEs ist sicherlich Verlaß, kaum aber auf Regionalzüge, die ich obendrein an einem, diesem, Sonntag nehmen müßte, um den Anschluß zu erreichen. Bleib da mal in Erlangen hängen … – Aber auch einige Studentinnen, als ich per Rundmail fragte, optierten für Zoom. Die schon gebuchten Tickets lassen sich zwar nicht mehr stornieren, da ich Sonderpreise gewählt hatte, aber die Uni wird die Kosten übernehmen, Das war schnell geklärt.
Ein bißchen schade ist’s aber doch, auch wegen des eigentlich meiner Gastgeberin vorbehaltenen geneinsamen Freitagabends; Spaghetti alle vongole hatte ich zubereiten wollen. Ganz verloren gehr der Abend aber nicht, denn, sofern die Teilnemerinnen und der Teilnehmer mögen, werden wir noch einen fünften Tag bekommen, der mir zwar nicht bezahlt wird, aber die Reisekosten will die Uni tragen. Es geht darum, daß ich aus der Hausaufgabe für alle je einen wirklich guten Text schreiben lassen will, für was bei nur vier Seminartagen nicht genügend Zeit wäre; außerdem stelle ich mir vor, daß wir eine zwar fotokopierte, aber doch gebundene Broschüre aus den entstandenen Geschichten basteln lassen sollten; so hätte dann jede und jeder etwas, um es sich in das Regal zu legen. (Drauf gekommen bin ich, weil Phyllis Kiehl mit einer Frankfurtmainer creative-writing-Gruppe es stets so hält. Dichterinnen und Dichter setzen aufs BLEIBEN[1]Nicht grundlos steckt der Leib darin. und müssen’s oft auch tun.)
Einiges ist bis morgen noch zu lektorieren. Hübsch freilich, daß mir eine – allerdings tatsächlich hoch begabte – Studentin vorhin per Mail angeboten hat, ihrerseits gerne auch mal von mir etwas zu lektorieren, aber „mit Elvira Gross besteht vermutlich keine Notwendigkeit…“. Schtümmt.

         Gestern noch einmal an die Junge Welt geschrieben und die Redaktion aufgefordert, alle meine für dieses Blatt geschriebenen Beiträge vom Netz zu nehmen, weil ich auf keinen Fall mehr mit ihm in Zusammenhang gebracht werden will. Erst hatte ich den Impuls, meine Mail hier öffentlich zu machen, brächte die Angelegenheit aber gerne mit möglichst wenig Ärger einfach nur aus der Welt. Sollte man sich weigern, ist es immer noch Zeit; es würde dann sowieso zum juristischen Fall. Bei S. Fischer habe ich mich jetzt immerhin schon mal entschuldigt, → den Horcynus Orca in solch unguten, eigentlich sogar schädlichen  Zusammenhang gestellt zu haben.
Geht mir reichlich nach, die „Sache“. Immerhin ziehe ich jetzt nach und nach die wichtigen Artikel hier in Die Dschungel nach.
Nicht ganz so unangenehm, aber ärgerlich ist, daß Faust sein Archiv vom Netz genommen, irgendein Urheberrechtsproblem. Jetzt muß ich suchen, welche Texte es insgesamt waren, um auch sie nach und nach in Die Dschungel zu bekommen. Besonders meine Arbeiten zur Musik sollten erhalten bleiben, weil in ihnen mehr zur Genese meiner Poetik zu erkennen ist als in meinen literarischen Rezensionen. Obwohl ich de facto keiner bin, war ich stets mehr Musiker als Literat. Und bin es nach wie vor, ohne es zu sein. Lauter solche Antagonismen haben mich lebenslang bestimmt, „schuldlose Schuld“ zum Beispiel — imgrunde alles Manifestationen von, in antikem Sinn, Tragik. Was Lust, Erhebung, Rausch nicht ausschließt — im Gegenteil eher deren Voraussetzung ist. Daß unsere pragmatische Gegenwart dies nicht so gerne sieht, sei freundlich konstatiert: „Richtung Ithaka verlor sich das Licht wie eine Garnele“: Rumiz, → Europa.

Wie als Heuschrecken getarnte Hornissen flirrt die Musik. Nämlich Petterssons Sechste nun wieder.

 

          Ihr ANH
[Arbeitswohnung, 17 Uhr]

 

P.S.:
Weder mit Sapphos Fragment No 1 noch mit meinem Zueignungsgedicht komme ich grad weiter; wenn’s gutgeht, schaffe ich jeden Tag ein Wort.




 

References

References
1 Nicht grundlos steckt der Leib darin.

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