Bamberger Elegien – Gedanken – Entwurf. 29.November 2006. montgelas.

Una disparata vitalitá. (Pier Paolo Pasolini)

Die Bamberger Elegien, dessen bin ich sicher, werden für Furore sorgen. Sprachlich antiquiert und inhaltlich reaktionär werden viele sie schimpfen und ihre Schönheit nicht an sich heranlassen wollen. Die mythische Rückbindung des Textes an das uralte Stirb und Werde, an die biologische Determination, der man in heutigen Zeiten, mit guten und schlechten Gründen, zu entkommen versucht, irritiert. Die Chimäre “Freiheit” tanzt in vielen Sälen der Postmoderne. In zu engen Schuhen sozialer Utopien zertanzte sie sich die Füße blutig und brauchte doch nur eine andere Größe wählen. Auf dem glatten Parkett des Kunstbetriebes rutscht sie ständig aus, steht auf mit zerschlagenen Knien, um sich weiter selbstverliebt im verführerischen Swing eigener Illusionen zu drehen.
Die Chimäre, das gemischte Wesen, wird eines Tages vor den Torsi der Originale stehen und grundlos weinen, weil sie den Grund nicht kennt. Und auch der Abgrund wird ihr fremd sein. Die Bamberger Elegien dagegen feiern den Grund aller menschlichen Existenz, beklagen seinen zu erwartenden Verlust und fragen: Aber wo bleibt das bleibende Tier? Der Entheiligung des Sexus, viele nannten es Befreiung, und hatten auch recht, folgte die Beliebigkeit in der Kunst, die in der Impression verharrt und Existenzielles scheut. Die Zeitgeister, eingespannt ins Joch ihrer Vorurteile, fürchten das Pathos, wie der Teufel das Weihwasser. Dabei übersehen sie, dass einer ihrer Großen, dem sie Minderheitenschutz zubilligen, und missverstehen ihn damit willentlich, neben D.H. Lawrence, als Stern über den Elegien leuchtet. Sein Name ist Pier Paolo Pasolini. Seine Haltung, seine Utopie von Liebe, das Glück und Unglück der Lust, hebt sich bei ihm zur Kunst. Wird Andacht. Menschenfeier. Alban Nikolai Herbst’s Bamberger Elegien beklagen den Verlust des Festes und des Pathos. Sie bedauern das Schwinden des “Heiligen Fickens”, das zum “Fastfoodsex” verkommen scheint. Dieses Langgedicht ist die Reaktion des Dichters und Mannes auf einen Zustand der Geschlechter, der ihre biologische Herkunft leugnet, dem Phallus seine Funktion stiehlt und die Vagina, Urgrund allen Seins, des Mythos beraubt. In der 10. Elegie z.B. eröffnet der Text mögliche Perspektiven, die traurig stimmen. Das, was die großen Städte vergaßen,
halten die kleinen noch fest: Perioden des Jahrs und des Tages
Dämmerung, Mittag, und Abend, und die Nacht im Dezember.
Das geht dahin mit dem bleibenden Tier. Und wird nicht dennoch
bleiben, heimlich, bis wir uns selber, kybernetisch
substituiert, gentechnologisch durch Cyborgs ersetzten?
abschließend, endlich, und allen Zufall hygienisch normiert?
Schöne Artefakte, zu allem bereit, was der Markt will,
stehen schon an, politisch korrekte Replikanten,
die, auf 1 und 0 programmiert, die Ahnung nicht kennen,
und sie wissen nicht mehr, was Frauen und Männer n o c h sind
außer jenem, was Gesetz und Meinung den Geschlechtern erlauben,
gender correctness und Gleichheit bis in die Erscheinung,
bis die Last des Gebärens selbst in Maschinen verlegt ist,
Samenspender werden die Väter, wie Kühe die Mütter,
die man besamungstechnisch nach erwünschten Designen,
bis Retorten endlich das v o l l e Werk tun, bestellt, von
dem k e i n e Sommer mehr scheiden. Und kein November graut ihm.

5 thoughts on “Bamberger Elegien – Gedanken – Entwurf. 29.November 2006. montgelas.

  1. Danke, lieber montgelas, für diese Betrachtung. Ich fürchte nur, daß sie hier, in Der Dschungel, wie Eigenlob aufgefaßt werden wird; aber das ist egal; wir sind hier ja ohnedies angetreten, vieles zu tun, was “sich” nicht “gehört”. Insofern wird es von uns dergleichen gewöhnte Leser nicht weiter wundern. Um nun der gewiß ebenfalls mitschwingenden Wähnung, Sie seien eine meiner Erfindungen,noch etwas mehr Futter zu geben, hab ich ich mir erlaubt, in Ihrem Text zweidrei Links direkt auf >>> die Rubrik zu legen, die den Bamberger Elegien vorbehalten ist. Denn in das Tagebuch gehört er gewiß nicht hinein; aber nur dieses habe ich für andere Beiträger geöffnet.
    Rein zur Formulierung ist mir übrigens unklar, wie sich eine Vagina “beugen” lasse; beim Phallus hingegen ist das möglich, wenn auch nur unter Schmerzen. Die, dann, sagen einiges aus.

    1. Ich weiß schon. Aber ich habe die Neigung, auch Metaphern immer zugleich k o n k r e t zu sehen. Daß ein Bild, zumindest potentiell, immer auch “real” funktioniere, ist eine meiner unverrückbaren poetischen Haltungen.

    2. Das ist ein Entwurf, der laufend korrigiert werden wird und keine Sorge, lieber ANH, Kritik, als eine Art Exkurs, nicht an der Dichtung als Kunstwerk, das sind die Elegien auf alle Fälle für mich, wird im Januar noch folgen. Ich bin in Zeitnot. Leider. So ist zum Beispiel ihre Anthropologie kritisch zu beleuchten. Monotheismus versus Polytheismus in ihrer Dichtung soll betrachtet werden, auch da habe ich eine Menge Kritisches anzumerken. Ich bin z. B. der festen Überzeugung, dass ohne die monotheistische Wende Aufklärung nicht möglich gewesen wäre. Welche möglichen Haltungen und Fragen werden zukünftige Frauen und Männer haben, die die ursprüngliche Reproduktion vergangener Zeiten vielleicht als barbarisch empfinden? und .. und… und…
      Ihre Elegien, das ist kein um ihren Bart streichen,, sind deshalb u.a. für mich schön, weil sie dazu einladen eigene Positionen auf den Prüfstand zustellen. Sie , ANH, gießen Kernfragen menschlicher Existenz in ästhetische Kokillen und geben ihnen damit Form. Ein vorläufig letzter Satz: Ich mag Kunst, die wagt und Künstler die’s wagen!

    3. @ Markus A. Hediger Der Einwand ANH’s hat anatomische Berechtigung, ich habe beugt ersetzt. Dieses Langgedicht ist die Reaktion des Dichters und Mannes auf einen Zustand der Geschlechter, der ihre biologische Herkunft leugnet, dem Phallus seine Funktion stiehlt und die Vagina, Urgrund allen Seins, des Mythos beraubt Das scheint mir passender.

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