B.L.’s 21.9. – Bananen im Sonderangebot

17:42
Die Rede war heute von Bananen. Reichenbach schickte mir nämlich ein paar Zeilen, in denen unter anderem von Bananen die Rede war. Bananen. Ich replizierte mit Phallus-Assoziationen, woraufhin er mich darauf hinwies, daß dies den Westler in mir desavouiere, der – uneingedenk des „Südfruchtmangels“ im sozialistischen Osten – eben bloß solches im Kopf habe. Dem und dem von ihm verwendeten Wort „Kulturunterschied“ nachdenkend, verfiel ich auf den Gedanken, es sei also Kultur keine Denkweise, sondern eine Lebensweise, wie auch die Agri-Kultur den Boden bestelle, den sie vorfinde. Es also müßig sei, vom Niedergang der Kultur zu sprechen. Woraufhin mich Reichenbach als „Marxist“ bezeichnet. Ich fühle mich geschmeichelt. Bloß konnte ich mit den im selben Zusammenhang genannten Namen McCarthy Wittfogl und Dutschke nichts anfangen. Mit McCarthy und Dutschke schon, aber außerhalb des Gedankengangs.
Also, liebe Leser, Sie müssen sich das so vorstellen: Wir Tagebuchschreiber schieben stets immer etwas insgeheim zwischen uns hin und her. Damit wir Ihnen stets etwas Überraschendes auftischen können. Geschieht das nicht, wühlen wir in der Gramkiste unseres Alltags oder unserer Erinnerungen.
A propos Gramkiste: Heute ist sie wieder den ganzen Tag außer Haus. Die wenige Zeit, die wir uns heute Morgen sahen, nutzten wir dafür, unsere Stimmbänder zu schonen. Ansonsten Arbeit und ein kurzer Abstecher zum Supermarkt. Hoffentlich wird sie die Spargelcremesuppe mit gerösteten Brotstückchen und dem verrührten und kleingehackten hartgekochten Ei goutieren, die ich fürs Abendessen in petto habe. Aber ich weiß die Reaktion schon: „Du hättest auch das und das machen können.“ Weil einfach keine Zuversicht herrscht ihr gegenüber. Man mißtraut sich. Darauf wäre wieder einmal näher einzugehen demnächst. Es hat mit der Körperlichkeit zu tun. Mit der Zukunft, die mit dem zunehmenden Alter zwangsläufig schwindet. Und damit, daß dieses Schwinden im anderen gespiegelt wird. Und der Spiegel ist immer schuld für das, was wir sehen.

Die Braut hat recht, wenn sie sagt, wegen ihrer Schwärze und ihrer Lieblichkeit habe der König sie liebgewonnen und in seine Kammer geführt, d.h. in den heimlichen Frieden der mystischen Versenkung, und zu dem Bett geführt, von dem sie an anderer Stelle sagt: „Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt.“ Wegen der Unschönheit ihrer schwarzen Farbe liebt sie mehr das verborgene Dunkel denn das helle Licht.

ABAELARD, Leidensgeschichte und Briefwechsel mit Heloisa

4 thoughts on “B.L.’s 21.9. – Bananen im Sonderangebot

  1. Das verstehe ich nicht: „Aber ich weiß die Reaktion schon: ‚Du hättest auch das und das machen können.‘ Weil einfach keine Zuversicht herrscht ihr gegenüber.“ Lieber Bruno Lampe, wieso ist Ihre mangelnde Zuversicht Ihrer Frau gegenüber der Grund dafür, dass Sie ihre Reaktion voraussehen? Tritt diese Reaktion tatsächlich ein, dann ist Ihre voraussehende Gewissheit ein Zeichen dafür, dass Sie die Reaktionen Ihrer Frau gut kennen. Tritt sie nicht ein, dann sind Sie vielleicht ein bisschen pessimistisch in Bezug auf die Reaktionen Ihrer Frau. Höchstens im letzten Fall könnte man von mangelnder Zuversicht sprechen. Aber Sie scheinen ja sicher zu sein, dass Ihre Frau so wie erwartet reagiert. Oder meinen Sie Zuversicht im Hinblick auf das Erahnen ihrer kulinarischen Wünsche? Ist sie denn nun hoffentlich ausgeblieben, die Reaktion?
    Zweitens verstehe ich nicht, wieso der Spiegel schuld sein kein „FÜR DAS, was wie sehen“. Übersetzer schreiben ja nicht einfach irgendwas. Gibt es einen Grund, warum Sie nicht „schuld AN DEM“ geschrieben haben?

    1. Die Reaktionen meiner Frau kann ich wirklich oft sehr genau vorhersehen. Oft parodiere ich sie mit ihren Standardbemerkungen, die in der Tat genau wiedergeben, was sie wollte. Zumindest, wenn wir gut aufgelegt sind, und keiner an irgendwelchen Ressentiments knabbert. Heute habe ich mich allerdings getäuscht und bin froh darüber. Sie hat es goutiert. Ich kann es allerdings nicht wärmer ausdrücken. Leider. Zuversicht ihr gegenüber: Sollte so ein Wort sein aus dem Umfeld: Vertrauen / Zutrauen / Enttäusch-mich-nicht.

      Schuld für das, was wir sehen: das ist eine gute Einwendung. Zunächst war das „für“ spontan, und ich habe ich nicht weiter darüber reflektiert („gespiegelt“). Das machte mich jetzt einen Moment lang unsicher. Sie sollten jedoch auch nicht denken, daß ein Tagebuchschreiber das gleiche macht wie ein Übersetzer, auch wenn da die Ausgangssprache sehr fallenreich sein kann. Dennoch wäre das „an dem“ zu stark. Ich wollte ja nicht sagen, der Spiegel sei schuldig, ich wollte damit ausdrücken, daß dem Spiegel nicht die Schuld übertragen werden könne.

    2. Danke für Ihre Antwort, ich hatte gerade noch mal was editiert an meinem Eintrag, und nachdem ich das abgeschickt hatte, war Ihre Antwort schon da. Stört aber den Zusammenhang nicht, glaube ich. Wenn ich Ihre und Paul Reichenbachs Beiträge lese, scheint mir mit das Höchste, was man in einer Partnerschaft anstreben kann, dies zu sein: beim anderen eine Zuversicht im Hinblick auf die eigene freundliche Reaktion zu fördern. Also dieser Zuversicht ständig neue Nahrung in Form von liebevollem Handeln und Sein zu geben. Schön, dass Sie heute „getäuscht“ wurden!

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