„Und was“, fragte Michaela Ungefugger, „willst du mir sagen?“ „Schau mal, deine Mutter…“ s o, daß die, die alleine abseits stand, nichts merkte, zuckte Frau Kumanis Kopf in ihre Richtung „… nein zieh nicht solch ein Gesicht. Schließe Frieden. Da ist, ich spüre das, eine Gefahr.“ „Gefahr? Pah! Woher soll die rühren?“ „Ich weiß es nicht. Aber es ist etwas angefangen. Nenn es ein Schicksal. Das will sich erfüllen. Und so etwas ist nicht gut, nicht zwischen Müttern und ihren Kindern.“
Hatte Frau Kumani wirklich von Medea geträumt? Ahnte sie etwas? hatte gesehen, wie eine Mutter ihr Kind zerriß, es entzweiriß? dem Jason ihrer beider eigenes Blut zerriß? das hier nicht seines w a r, doch ihm angehörte – oh diese mächtigen Allegorien, die sich auf uns, i n uns stürzen! Nie sind sie genau, immer ist ihr Wiedererscheinen nur ähnlich, so daß wir selbst sie nicht merken, wenn sie uns ergreifen. Wir brauchen dann Menschen vom sensiblen Range der Macchie: „Unheil nur kommt aus solcher Feindschaft, Unheil für alle, du unerbittliche Jasonfrau.“ Michaela Ungefugger schnob. Im Lager war laute Bewegung. Es war nicht viel Zeit. „Habt ihr euch je umarmt?“ fragte Frau Kumani. „Nein“, sagte Michaela, „jedenfalls entsinn ich mich nicht.“ „Ich denke, i h r seid die Menschen! Ich denke, i h r habt die Seele?“
Denn, in der Tat, der Präsidentengattin war der Anblick des Paares schmerzhaft geworden, so daß erneut der Groll in ihr wühlte; leise erst; immer wieder schüttelte Carola Ungefugger den Kopf, um das loszuwerden. Es wollte nichts nützen, übernahm sie: Neid Verlassenheit, was hatte sie denn für ein Leben geführt? ein solches erbärmliches Leben im Reichtum! Was hatte ihr Mann ihr angetan! Nun sollte sein Kind –
denn ihres war es doch nie gewesen, hatte sich doch immer von ihr distanziert und rein dem kalten unsterblichen Vater zugeneigt – und nun, da es sich g e g e n den gewandt, nahm die Tochter noch immer nicht ihrer Mutter Hand, grüßte sie nicht einmal, schenkte ihr keinerlei Blicke – hatte die Kälte des Vaters geerbt, dachte Carloa Ungefugger, ach was würde Jason noch leiden! dem das selbstverständlich aufgefallen war, wie sich seine Freundin gegenüber der Mutter verhielt, und vielleicht war für sie sogar d a s das Schlimmste: der Mitleidsblick, den Aissa der Stromer der verschmähten Mutter zuwarf bisweilen – hatte sie so etwas nötig? –
– sollte also Toni Ungefuggers Kind die Geborgenheit und zugleich Freiheit erlangen, die ihr, der Mutter, versagt gewesen war und weiterversagt bleiben würde? da sollte ihr Kind durchkommen mit all seiner Kälte? – Nein!
So ging das in Carola Ungefugger quer und quer, wuchs an, nahm völlig Besitz von ihr, Stunde um Stunde, und d a s war’s, was der anderen Mutter, Frau Kumani, nicht entging, wie sich die Miene der verschmähten Frau verdüsterte und sie einen ganz starren Blick bekam. Sie hatte sich in der Gewalt, dafür war sie lange genug Präsidentengattin gewesen, das wohl, aber es brauchte, dachte Frau Kumani vielleicht, nur einen Zünder, um ihr zu entgleiten.
„Du mußt die Feindschaft beenden“, sagte sie, „für uns alle. Aber auch, mein Kind, für dich selbst.“
Jeder anderen hätte die verwöhnte junge Frau ihre zickigste Nase gedreht, vor Yessie Macchie aber hatte sie eine ebensolche Achtung wie vor Aissa der Wölfin; momentlang war sie unsicher, das war ihr deutlich anzusehen: dieser Schattenschimmer, der über die helle Plastik ihres Gesichtes lief. Dann sagte sie, ohne aufzublicken: „Ich werde drüber nachdenken“ – und startete den Motor.
Diese Verbindung von Alltagserfahrungen und mythologischen Bilder ist interessant ; ). Die Suche nach dem goldenen Flies gehört zu meinen Lieblingen unter den mythologischen Werken.
Lieben Gruß silberfalke
das goldene flies. fies.