Montag, der 10. April 2006.

7.05 Uhr:
[Noch Kinderwohnung.]
Um halb sieben aufgewacht, eben was übergezogen, Kaffee aufgesetzt, an den Laptop am Küchentisch gesetzt. Das DTs skizziert; ziemlich viel „Nebenzeug“ muß gemacht werden; wahrscheinlich wird die Woche drüber draufgehen, zumal Schulferien sind und mein Junge ab Donnerstag wieder bei mir ist. Ich will nachher zur Hausverwaltung hinüberadeln und die beiden ausstehenden Mieten der Kinderwohnung in bar bezahlen und gleich ein wenig erklären, weshalb die Zahlungen in den letzten Wochen so unregelmäßig waren und daß sich das nun, wegen des Bamberg-Geldes und der Funkarbeiten wieder ändern wird. Vielleicht bringe ich eine Flasche Wein dort vorbei und schaffe beruhigtes Blut.
Jetzt erst mal wieder in ARGO einlesen, bis sowas gegen Viertel nach neun/halb zehn; danach die ersten Laufwege usw. Die VERBEEN-Nachbereitung wird Zeit kosten, ich brauche außerdem 90-Minuten-CDs. Es ist insgesamt für einige Ordnung, auch arbeitslogistischer Natur, zu sorgen; andererseits steht doch Bamberg an, und ich komme deshalb um das ganze Zeug nebenbei nicht herum. Ich kenn mich ja: Sowas kostet mich Konzentration, zieht sie von der Arbeit ab.Und besser jetzt, da ich ohnedies wegen der letzten Woche aus dem Rhythmus herausbin, als dann, wenn ich wieder in ihn hineingefunden haben werde. Deshalb schiebe ich auch schon diese Woche den kleinen Land’s End-Auftrag dazwischen, für den ich gebeten wurde, auf jeglich Provokatives zu verzichten (kein Sex/keine Politik/keine Gewalt usw.). Mir schwebt ein Divertimento’chen vor; einfach mal sehen, ob ich so etwas a u c h kann. In den gesamten Wogen meiner übrigen Arbeit wird das eh verschwinden.

Für Bamberg: Vielleicht kann ich dort etwas verwirklichen, was ich seit meiner Trennung als Bedürfnis mit mir herumschleppe:: B i l dgestalterisch tätig zu werden, wirkliche B i l d e r zu schaffen; wobei mir Materialbilder vorschweben, s c h w e r e Bilder, also wirklich vom Gewicht her schwer: Materialien wie Zement und Lehm verwenden, in die ich Dinge hineincollagiere, Dinge und Fotografien, Überbleibsel: Pfeifen, Anzugstücke, die ich zerschneide usw. Außerdem Farben, viel Rot, wie Blut muß das sein (und sich auch so anfassen), jedenfalls schweres Öl. Aber nicht destruktiv und morbid, sondern f e i e r n d.

Für so etwas braucht man Platz.
Ich werde in Bamberg das Studio leerräumen, also alles rauswerfen, was nicht unmittelbar der Arbeit dient: k e i n e Sessel, k e i n e Couch, nur Platz Platz Platz (was sich halt in der mit Büchern CDs Cassette usw. vollgestopften Arbeitswohnung nicht realisieren läßt). Dann mir etwas überlegen, wie man so schwere Bilddinger überhaupt bearbeiten und vor allem aufstellen kann, wie man sie dann auch aus dem Studio wieder hinausbekommt usw. Dann loslegen. Steine will ich mit hineinarbeiten, Knochen, Schrauben usw. Alles anfaßbar, nix nur-Geist; Organisches hätt ich gerne da drin: Irdisches. Ein Geburtsbild schwebt mir vor; ich spinne jetzt rum, ich weiß, aber die Idee ist: Wenn >>>> Kiefer mit den Kinderhemden gearbeitet hat, würde ich versuchen, mir aus einem Krankenhaus eine Placenta zu besorgen, die ich ins Bild einarbeite, um, wie Verbeen, das Symbolische zu vermeiden und statt dessen ganz-konkret, ganz-fleischlich zu sein. Usw. Mal sehen.

Jetzt erstmal an ARGO.

10.21 Uhr:
Man faßt es nicht: tatsächlich eine Seite ARGO geschrieben; und es war nun gar nicht leicht, mich davon loszureißen. Jetzt Post. Bin im Zeitverzug und sitz immer noch in der Kinderwohnung.

22.31 Uhr:
[Wieder Kinderwohnung.]
Sonst ein Scheißtag. Hier funktioniert Wlan, ich komme also ins Netz, fahre dann rüber in die Arbeitswohnung, fahre den Laptop hoch, will über T-online ins Netz – nichts geht mehr. Bestimmt fünf Stunden (bei 12 cent/Minute!!!!) mit dem dortigen Service telefoniert. Ergebnis: „Sie müssen Ihre Festplatte neu formatieren. Bei d i e s e m Fehler gibt es keine andere Möglichkeit.“ Ich also wieder in die Kinderwohnung; nun geht auch Wlan von Strato nicht mehr. Katanga guckt sich die Sache an, fummelt etwas rum, schon funktioniert der Netzzugang wieder. Aber eben nicht drüben. „Die haben dir Müll erzählt. Da g i b t es einen anderen Ausweg.“ – Jedenfalls ging der ganze weitere Tag mit diesem Unfug vorüber; was ich arbeiten wollte, blieb liegen. Dann sagen auch noch U. und der Profi ab; dabei hatte ich mich so gefreut, gemeinsam mit den Freunden den VERBEEN noch einmal zu hören. Es gibt aber einsichtige Gründe, daß es nicht klappt, klar. Und dennoch.
Beim Billard mit Eisenhauer ein tiefes Gespräch über Geschlechter und Geschlechterverhältnisse. „Du hast immer Achtung“, sagt er, „du bist ein weicher Mann.“ Ich: „Wieso sollte ich k e i n e Achtung haben? Ich rührte keine Frau a n, bei der ich das nicht hätte.“ Zugleich rechne ich hoch, als eine Frau unseren Tisch passierte, deren Brüste gehoben waren, wie in die Blicke g e r e c k t: wie lange ist es her, daß ich eine weibliche Brust in den Händen hatte? >>>> Prothoes zuletzt, das war im November. Moment: November, Dezember, Januar, Februar, März, April…. ein halbes Jahr nun weggeschnitten vom Leben.
Und dann denke ich wieder: Das ist so ganz gerecht, das ist wegen Lakshmi gerecht und völlig in der Ordnung. Das geht sozusagen seinen liebenden Gang. Leben in der Ambivalenz; mir wird immer deutlicher, von Jahr zu Jahr, daß genau d a s erwachsen zu sein bedeutet: es in der Unklarheit aushalten können, in der Ungewißheit, im Dämmern, im Ungefähren. Daß genau das L e b e n ist: ganz so, wie – das schrieb ich andernorts einmal – neues Leben nie aus der Klarheit, dem Glatten, dem Sauberen, dem Übersichtlichen, sondern eben aus dem Morast entsteht: dort, wo etwas gären kann. Es hat seinen sehr tiefen Grund, daß Fortpflanzungs- und Ausscheidungsorgane direkt aneinander grenzen und daß man sie im erotischen Rausch so oft miteinander verwechselt und füreinander n i m m t.